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Infantizid

Titel: Infantizid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Grit; Hoffman Bode-Hoffmann
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Hände über den Kopf und kommt vor.«
    Erst erfolgte ein trauriges, gequältes Lachen. Dann übersetzte der Dolmetscher die verzweifelten Worte der Tschetschenen.
    Â»Das glauben wir nicht. Die sind alle gleich. Auf Fahnenflucht mit Waffenbesitz steht der Tod. Wir kommen vor ein Gericht voller Russen.«
    In den Kopfhörern bei Klatt und Meixner knackte es. Die Präzisionsschützen meldeten sich. »Wir haben eine Position gefunden, bei der wir über euch hinwegschießen können. Wir haben sie im Visier. Einsatzleitung, wie lautet der Status?«
    Keine Antwort von der Einsatzleitung.
    Â»Noch einmal, wir haben sie im Visier, wie lautet der Status?«
    Wieder keine Antwort.
    Â»Wir haben die Möglichkeit, sie zu verletzen oder zu töten. Also, was sollen wir tun, verdammt noch mal?«
    Jetzt meldete sich der Einsatzleiter. »Abwarten. Wir wollen erst sehen, wie sie reagieren. Ob …«
    Weiter kam er nicht, denn plötzlich brach ein Höllenlärm los. Es wurde aus allen Rohren in Richtung hintere Wand der Scheune gefeuert. Matti Klatt, Meixner und der Dolmetscher konnten gar nicht reagieren, denn so blitzartig, wie es begonnen hatte, hörte es auch wieder auf. Von der Diensteinheit hatte keiner geschossen. Ihnen blieb zum Glück nur der Schrecken in den Knochen stecken. Die Sowjets hatten es mal wieder auf ihre Art gelöst. Beide Tschetschenen waren tot. Kurz und schmerzlos, gnadenlos, durch die Bretterwände des Heuschobers, wurden die beiden Flüchtigen erschossen.

    Sonntag 26. Oktober 2003, 10 Uhr, Polizeiinspektion
    Matti Klatt hatte den vergangenen Nachmittag mit Lesen verbracht. So richtig gelingen wollte ihm das jedoch nicht. Zu viele Gedanken beschäftigten ihn, er schweifte immer wieder ab und konnte sich nicht auf das Buch konzentrieren. Als er schließlich einsah, dass es zwecklos war, legte er sich am Abend früh ins Bett.
    Am Morgen fühlte er sich ausgeruht. Er hatte endlich einmal traumlos durchgeschlafen und war um acht aufgestanden. Nach seinen morgendlichen Liegestützen ging er duschen und kochte sich einen Kaffee. Während er frühstückte, überlegte er, was die nächste Zeit bringen würde. Zuerst das Gespräch mit Bräunig. Dieser hatte recht, sie müssten seine Zusammenarbeit absegnen lassen und fixieren oder so etwas. Und dann die Omicron AG. Er war gespannt, was diese Firma mit der ganzen Sache zu tun hatte. Am liebsten würde er gleich anrufen, aber Bräunig meinte, sie sollten jeden Schritt vorher absprechen. Es wurde Zeit, sich zum Präsidium aufzumachen. Er räumte das Geschirr in die Spülmaschine, zog seine Jacke an und begab sich zu seinem Auto. Auf dem Weg dorthin registrierte sein Unterbewusstsein mal wieder sämtliche parkenden Pkws. WE-SN 28 Renault, WE-PR 723 Audi, WE-OL 899 BMW, EF-DF 87 VW-Transporter, WE-WB 56 BMW, SLF-A 722 VW Golf. Insgesamt zwölf Stück. Wenn ich das mal abstellen könnte, dachte er. Es regnete zwar nicht, aber der Sturm war stärker geworden. Er zerrte an seiner Jacke und beinahe wäre ihm die Autotür aus der Hand gerissen worden. Der Winter kam, die Anzeichen mehrten sich.
    Die Fahrt dauerte nicht lange. Matti Klatt nahm die Abkürzung durch die Innenstadt. Er fuhr nicht den viel längeren Stadtring entlang, sondern vorbei am Deutschen Nationaltheater, den Russischen Hof links liegen lassend in eine kleine Gasse, die nur die Einheimischen kannten. Knapp zehn Minuten später öffnete er abermals die große Holztür der Polizeiinspektion. Entweder saß der dicke Polizist immer noch oder schon wieder hinter der Glaswand.
    Â»Ich weiß Bescheid. Der Hauptkommissar hat mich informiert. Sie wissen ja, wo es langgeht«, sagte er gemütlich.
    Matti Klatt schritt die Treppen hinauf. Die Tür zu Bräunigs Büro stand offen. Er telefonierte noch. Als Bräunig ihn sah, winkte er ihn rein und bedeutete ihm, Platz zu nehmen.
    Â»Schicken Sie uns diese 16 Fälle. Wir versuchen festzustellen, ob es Gemeinsamkeiten gibt. Ja, so schnell wie möglich. Danke.« Bräunig legte auf und wandte sich an Matti Klatt.
    Â»Das BKA. Bis jetzt bleibt es bei den 16 Fällen mit einer ungewöhnlichen Todesursache, die unaufgeklärt geblieben sind. Warten wir es ab. Danke, dass Sie gekommen sind. Kaffee?«, fragte er freundlich.
    Bräunig füllte drei Tassen. Der Staatsanwalt trank sowieso immer Kaffee, das wusste er.

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