Infantizid
später zu acht Jahren Haft verurteilt«, sagte Bräunig. So klein ist die Welt.
Dr. Müller fragte weiter. »Was haben Sie danach getan?«
»Alles Mögliche. Verkaufen von Bausparverträgen, später Autos. Ich habe in verschiedenen Unternehmen gearbeitet und zwei Firmen gegründet. Leider hatte ich Pech und kam immer wieder an die falschen Leute. Mit meinen Mitarbeitern hatte ich ebenso wenig Glück. Der Anfang vom Ende war der 11. September 2001 in den USA. Unsere Geschäftsbeziehungen in den Nahen Osten und deren Aufbau haben viel Geld gekostet. Alles ging buchstäblich den Bach hinunter. Und so kam eins zum anderen. Auch die Banken beendeten kurz vorm Ziel ihre Kooperation, sodass mir zusätzlich Steine in den Weg gelegt wurden, und das wegen wirklich unerheblicher Beträge. Scheià drauf. Es ist nun vorbei und nicht mehr zu ändern«, schloss Matti Klatt.
Bei der Art von Gesprächen merkte er immer wieder, dass er noch nicht darüber hinweg war. Auch wenn er es nach auÃen hin vorgab. Er bat um ein Glas Wasser. Das viele Erzählen trocknete ihm die Kehle aus. Er leerte das Glas fast in einem Zug. Danach ging es ihm besser und er konzentrierte sich auf sein Gegenüber. Der Staatsanwalt lieà mit der nächsten Frage nicht lange auf sich warten.
»Wo stehen Sie heute politisch, Herr Klatt?«
»Ich verfolge das Geschehen sehr intensiv. Natürlich mache ich mir meine Gedanken und habe eine eigene Meinung dazu. Was in unserem Land und in der Welt so abgeht, sollte man nicht zu leichtfertig hinnehmen, sondern mit einem wachsamen Auge beobachten. Ich selbst sympathisiere mit keiner Partei, stehe weder rechts noch links und bin schon gar nicht liberal. Unter den meisten Ãbeln ist meiner Meinung nach die CDU das Geringste, wobei ich glaube, dass momentan keine Partei dazu in der Lage ist, die Probleme der Menschen zu lösen. Ich hasse Diktaturen und fanatische Terroristen, die der Welt ihren Glauben aufzwingen wollen. Von Jesus Christus und der Heiligen Maria weià ich gar nichts. Der Unterschied von Christentum und Judentum ist mir gänzlich unbekannt. Ich kann nicht nachvollziehen, warum die sich seit Menschengedenken wegen unterschiedlicher Glaubensbekenntnisse bekriegen.«
»Was würden Sie sagen, wenn Ihr Vaterland nach Ihnen ruft und von Ihnen erwartet, etwas für die nationale Sicherheit zu tun?«, fragte der Staatsanwalt weiter.
»Wenn es so formuliert wäre, würde ich einen Lachanfall bekommen. Das klingt mir zu amerikanisch. Ich bin mehr für klare Worte und Fakten. Zum Beispiel, wenn jemand käme und sagte, aus diesem und jenem Grund sind genau Sie, Herr Klatt, dafür prädestiniert, das für uns zu tun, könnte ich mir nach reiflicher Ãberlegung vorstellen zu helfen. Ich muss, wie ich schon sagte, von der Sache überzeugt sein. Meine damalige Abenteuerlust ist heute nicht mehr so ausgeprägt. Man geht an viele Dinge überlegter heran und die persönliche Einstellung ändert sich in vielerlei Hinsicht.«
Staatsanwalt Dr. Müller nahm seine Brille ab und überlegte. Kein Zweifel, dieser Mann stand im Leben und wusste, was er wollte oder, besser gesagt, was er nicht wollte. Er hatte einigermaÃen vertretbare Ansichten und schon viel erlebt. Er hatte seine Prinzipien.
»Wären Sie in der Lage, jemanden zu töten?«, fragte er nach einer Pause.
Diese Frage hatte sich Matti Klatt auch schon oft gestellt. Es ist nicht so einfach, mit einem klaren Ja oder Nein zu antworten.
»Vorsätzlich nicht. Ob im Affekt, kann ich nicht sagen. Es kommt auf die Situation an. In Notwehr oder in einem Ausnahmezustand auf jeden Fall. Es kam zum Glück nie dazu, dass ich es wirklich tun musste. Wenn ich später darüber nachdachte, war ich immer froh, dass es einigermaÃen glimpflich ausgegangen war. Ich glaube, wenn sie 10.000 Menschen diese Frage stellen, bekommen Sie ebenso viele verschiedene Antworten. Jeder Mensch hat ein anderes Reaktionsvermögen, eine andere Nervenstärke und verhält sich somit in den verschiedensten Situationen jeweils unterschiedlich. Was meinen Sie, Dr. Müller?«, fragte Matti Klatt zurück.
Der überlegte, während er durch den Raum lief. Dieser Klatt hatte recht. Keiner wusste, in welchen Konflikt er geraten konnte. Er als Staatsanwalt hatte fast täglich mit solchen Sachen zu tun. Auch wenn es dabei nicht immer einen Toten
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