Infantizid
Danach war man sich einig. Sie beide würden eine Aktiengesellschaft gründen und in das europäische Ausland expandieren. Die Hauptzentrale sollte in Erfurt in einem neuen Gebäude errichtet werden. Die wichtigste Abteilung war: Autobiografien/Menschen. Und es wurde eine Unterabteilung ins Leben gerufen: Internationaler/Nationaler Terrorismus. Mit solchen Informationen konnte man bestimmt eine Menge Geld verdienen. Oder sie für eigene Zwecke nutzen.
Der Mann befand sich an diesem Sonntagnachmittag im zehnten Stock des Gebäudes der Omicron AG. Er saà in seinem Bürosessel zur Fensterfront gewandt und starrte hinaus auf den mit Wolken zugezogenen Himmel. Einer seiner fähigsten Mitarbeiter mit Decknamen âºArndtâ¹ war Freitagnacht bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt worden und später im Krankenhaus verstorben. Hoffentlich hatte er die Zielperson, die er unbedingt haben wollte, noch verständigen können. Als ob die Mitteilung nicht schlimm genug gewesen wäre, hatte er vor ein paar Minuten noch eine weitere beunruhigende Nachricht erhalten. Eine ihrer gecharterten Maschinen war samt Besatzung und menschlicher Fracht vom Himmel verschwunden. Sehr wahrscheinlich abgestürzt. Das waren schwerwiegende Verluste. Das Klingeln des Telefons riss ihn aus seinen Gedanken.
»Ja, bitte?«
»Es kommen alle. Ort und Termin bleiben.«
»Okay.« Er legte auf.
Am Donnerstag müssen wir darüber reden, wie wir den Verlust ausgleichen können. Vor allen Dingen müssen wir die Ursache des Flugzeugunglücks herausbekommen, dachte er.
Der Mann, der am Fenster seines Büros stand, war 55 Jahre alt, 1,95 Meter groà und schlank. Er hatte schwarzes Haar und eine Adlernase. Auf seiner rechten Wange hatte er eine kleine Warze. Sein Name war Walbe.
Montag, 27. Oktober 2003, 8:55Â Uhr
Schon um 6 Uhr morgens waren die Kriminalpolizisten Hubaczek und Leichenkolbe mit dem Auto nach Berlin aufgebrochen. Sie wollten noch vor dem einsetzenden Berufsverkehr aus der Stadt und in der Polizeiinspektion in Berlin-Pankow sein. Leichenkolbe, der auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte, ging noch einmal die Fragen durch, die geklärt werden mussten. Er notierte sich einige Stichpunkte.
Zuerst ging es um Peter Arndt, den Namen unterstrich er.
â Sein Lebenslauf.
â Er wurde nur 39Â Jahre alt.
â Wie ist er umgekommen?
â Wo ist er beerdigt?
â Was arbeitete er, wo, Arbeitsstätte?
â Mit wem stand er in einer Beziehung, persönliches Umfeld?
â Freunde, Arbeitskollegen, Frauen.
Und dann dieser Jentzsch, auch da zog er einen Strich unter den Namen.
â Sein Lebenslauf.
â Welchen Beruf übte er aus, was hatte er gelernt?
â Wie waren seine Vermögensverhältnisse, Bankverbindungen?
â Freunde, Bekannte (Name von damaliger Freundin konnte uns Klatt nicht sagen).
â Wohnung durchsuchen!
â Woher stammten Messer und Auto? (Vorbesitzer ermitteln.)
â Woher kam der gefälschte Ausweis?
Als Leichenkolbe fertig war, las er Hubaczek seine Notizen vor. »Fällt dir noch etwas ein?«
»Im Moment nicht. Später vielleicht«, sagte Hubaczek. Er war unruhig und verspürte ein seltsames, eigenartiges Gefühl. Seit ihrer Abfahrt lieà es ihn nicht mehr los. Er überlegte, um was es sich handeln konnte, kam aber nicht darauf. Es hatte ihn noch nie betrogen. Und dieser Gedanke machte ihn noch unruhiger, er war sich sicher, dass etwas nicht stimmte. Sie kamen zügig voran, es herrschte noch wenig Verkehr auf der Autobahn. Langsam dämmerte der Morgen.
Den dunklen BMW, der ihnen mit einigem Abstand folgte, bemerkten sie nicht.
Matti Klatt hatte am vergangenen Nachmittag versucht, mit der neuen Situation fertigzuwerden. Die Vorstellung, dass irgendwo jemand saà und alles hören konnte, was in der Wohnung passierte, machte ihn nervös und schränkte ihn automatisch in seiner Bewegungsfreiheit ein. Deshalb blieb er eine Weile am Tisch sitzen und bewegte sich nicht. Doch dann wurde ihm allmählich bewusst, dass schlieÃlich keine Kamera, sondern ein Mikrofon in dem Türschloss steckte. Trotzdem hatte er die Empfindung, ständig unter Beobachtung zu stehen.
Was für eine ScheiÃsituation, dachte er. Was kommt denn noch alles? In einem Spielfilm sehen solche Szenen einfacher aus. Der Darsteller nimmt die Situation, wie sie ist, und gaukelt den Leuten, die
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