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Infantizid

Titel: Infantizid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Grit; Hoffman Bode-Hoffmann
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und Verkäufer schnell. Es war ein zehngeschossiger Bau aus Glas und Beton. Nach umfangreichen Renovierungsarbeiten erstrahlte es ein Jahr später in neuem Glanz.
    Entstanden war das Unternehmen ursprünglich aus einer Personengesellschaft. Im Jahr 1990 wurde aufgrund politischer Umwälzungen ein Mann aus dem Staatsdienst entlassen, der sehr intelligent war und spezielle Fähigkeiten vorweisen konnte. Für ihn stellte sich die Frage, womit er in Zukunft seinen Lebensunterhalt verdienen sollte. Der einsetzende Siegeszug der Computer und die damit verbundene schnelle und einfache Zugriffsmöglichkeit auf Auskünfte jeglicher Art brachten ihn auf die Idee. Ein großes Marktpotenzial werden in der Zukunft Informationen sein, dachte er. Allein in einem kleinen Büro, ausgestattet mit einem Computer, fing er an, ein Konzept zu entwickeln. Im Prinzip war es ganz einfach. Durch Zeitungsinserate warb er für Auskunftsbeschaffungen aller Art und gewann, nicht gleich in Massen, schließlich den einen oder anderen Interessenten, der ihm sein Anliegen vortrug. Je nach Art und Umfang der Recherche wurde ein Preis ausgehandelt und die Suche begann. Ungefähr ein bis zwei Wochen später wurde das gewünschte Paket mit allen relevanten Inhalten, ordentlich gedruckt und gebunden, verkauft. Er schaffte sich nach und nach einen festen Kundenstamm, durch den er wiederum dank seiner korrekten und qualitativ guten Dienstleistung weiterempfohlen wurde. Da sich in der Stadt mehrere Hochschulen befanden, spezialisierte er sich auf die Hauptfächer, die diese Hochschulen lehrten: Architektur, Bauwesen, Landschaftsgestaltung und jüngere Geschichte. Als Verlage, Firmen und Ämter anfingen, alles zu digitalisieren und auf CDs herauszubringen, kam der erste Durchbruch. Immer mehr Quellen standen ihm zur Verfügung. Die große Kunst bestand darin, diese nach dem Prinzip eines Archivs zu verwalten und zu jeder Zeit Zugriff zu haben. Schon lange konnte der Mann diesen Aufwand nicht mehr allein bewältigen. Mittlerweile beschäftigte er zwölf Mitarbeiter. Er gründete eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und strukturierte alles neu. Es entstanden mehrere Abteilungen: Technik/Naturwissenschaften, Geschichte/Zeitgeschehen, Politik/Sport sowie Autobiografien/Menschen. Die Abteilungsleiter waren Personen, die mindestens eines der ersten sechs Wissensgebiete studiert hatten. Der Mann suchte sein Personal persönlich aus. Fachwissen, Loyalität und Verschwiegenheit waren die Hauptauswahlkriterien. Alle Angestellten erhielten ein außergewöhnlich hohes Gehalt. Es wurde schon sehr bald die erste Außenstelle eröffnet. Weitere fünf sollten folgen. Der nächste Durchbruch kam mit der Verbreitung des World Wide Web. Durch die Nutzung des Internets kam man noch schneller und einfacher an Informationen. Die Kundendatei wuchs täglich. Die Abteilung Autobiografien/Menschen unterstand ihm direkt. Ein Umstand zeichnete sich deutlich ab: Immer mehr Leute wollten von ihm direkt ganz gezielte Auskünfte über Firmen, Institutionen, Vereine, Politiker, Anwälte und so weiter. Der Mann stellte seine Kunden immer zufrieden, auch wenn die Recherchen stellenweise mehrere Monate dauerten. Niemand wollte wissen, woher diese Erkundigungen kamen. Andererseits war es ihm einerlei, wozu diese verwendet wurden. Es war ein Geschäft. Natürlich konnte man sich nicht alle Auskünfte auf den Bildschirm holen. Gerade bei bestimmten Fragen, die Menschen direkt betrafen, musste man andere Mittel einsetzen. Dazu hatte der Mann ausgezeichnete Leute. Exzellent ausgebildet, verschwiegen und ihm treu ergeben. Er hatte sie nicht vergessen. Es waren ehemalige Kollegen, mit denen er früher zu tun hatte und die er ausnahmslos persönlich kannte. Sie hatten in den meisten Fällen die ihnen gebotene Chance dankbar angenommen. Ihre eigenen Versuche, in der freien Marktwirtschaft Fuß zu fassen, waren allesamt gescheitert. Niemandem außer dem Mann selbst waren diese Leute bekannt. Keiner bekam sie je zu Gesicht. Die Aufträge wurden stets an neutralen Orten besprochen.
    Seine Arbeit verschaffte ihm Kontakte in alle Kreise des gesellschaftlichen Lebens. Über seine Auftraggeber wusste er natürlich auch viel Interessantes: Vermögenswerte, Karrieren und politische Ansichten. Im März 1996 wurde er von einem Großindustriellen in den Schwarzwald zu einem Wellness-Wochenende eingeladen.

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