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Infektiöse Visionen (German Edition)

Infektiöse Visionen (German Edition)

Titel: Infektiöse Visionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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betrachtet, hatte ich das Glück, auf einer neuen Welle ganz vorne mitzuschwimmen. Gesund zu essen begann „in“ zu werden. Selbst erlauchte Kreise, die in meinen Laden nie einen Fuß gesetzt hätten, orderten dennoch meinen Partyservice. Auch mit 18 Jahren war ich Geschäftsfrau genug, mich darauf einzustellen.
    Und so tauschte ich an diesem Samstagabend meinen üblichen Schlabberlook gegen ein Kleid, flocht meine Haare zu einem französischen Zopf, legte sogar etwas Make-up auf, band mir die zartgrüne Schürze mit dem Aufdruck „Veras Vegetarischer Partyservice“ um und bezog Posten hinter dem Buffet-Tisch im Konferenzraum der „Internationalen Spedition“.
    Den ganzen Nachmittag lang hatte ich gekocht und Salate zubereitet, hatte einen Kofferraum voll Töpfe und Tiegel von der Küche, die ich mir hinter dem Laden eingerichtet hatte, hierher transportiert, den Aufzug hoch, hereingeschleppt, aufgebaut und nett arrangiert mit Kerzen und Bändern.
    Jetzt zählte ich die hereinströmenden Gäste. Meine Sorge war, wie immer, ob es für alle reichen würde – und dass die warmen Speisen bis zum Ende des offiziellen Programms womöglich zusammengekocht aussehen könnten. Eine halbe Stunde lang sollte gesprochen werden, dann gegessen. Verabschiedung der Gäste um 21 Uhr. Ich war müde, und die Füße taten mir weh nach einem hektischen Tag in Laden und Küche. Hoffentlich war pünktlich Schluss.
    Als ich den Metzgermeister Ungerer hereinkommen sah, vergaß ich meine Füße, die Hoffnung auf ein pünktliches Ende und was mir sonst noch durch den Kopf schwirrte. Ich streckte mich hinter meinem Buffet-Tisch und setzte mein Geschäftslächeln auf.
    „ Ja Frau Tangel“, rief er von weitem und breitete seine mächtigen Arme aus als wolle er mich über den Tisch und das Essen hinweg umarmen.
    „ Guten Abend, Herr Ungerer“, antwortete ich lieb lächelnd und reichte ihm die Hand.
    „ Das sieht ja großartig aus“, lobte er und taxierte meine Speisenanordnung als suche er fieberhaft nach geklauten Ideen.
    „ Danke schön.“
    „ Sie wundern sich, mich zu sehen?“, fragte er, während seine Augen übers Buffet wanderten.
    „ Ein bisschen schon.“
    Ein Mann, der mir schon zuvor aufgefallen war, weil er dauernd heimlich zu mir herüber geschaut hatte, verließ jetzt seinen Platz am Rednerpult und kam durch den Gang zwischen den Stühlen zu uns her stolziert. Auch Ungerer wurde auf ihn aufmerksam, wandte sich ihm zu und begrüßte ihn mit seiner Geste der weit ausgebreiteten Arme. Sie redeten kurz und taten dabei überdreht vertraulich, während der fremde Mann auch jetzt immer wieder zu mir her linste.
    Ich entspannte mich, sah zu, wie die beiden mit gestenreich vorgetragener Herzlichkeit und Höflichkeit miteinander umgingen, und fragte mich, woran ich eigentlich merkte, dass sie sich in Wahrheit nicht ausstehen konnten. War es ein Widerspruch zwischen bewussten Gesten und unbewusster Körpersprache? Oder Ausstrahlung und Schwingung?
    „ Dann haben Sie also die Frau Tangel geordert, eine nette Idee“, rief Ungerer plötzlich aus dem in gemäßigter Lautstärke geführten Zweiergespräch heraus.
    „ Ordern lassen“, gab der andere Mann zurück und grinste zu mir herüber. „Zu meinem Abschied, dachte ich mir, probiere ich mal was Neues aus.“
    „ Wirklich nett“, lobte Ungerer noch einmal, und man sah ihm an, wie sehr er seine Wut beherrschen musste. „Der gute Wendelin verlässt uns nämlich Richtung Brasilien. Ob es dort überhaupt Golfplätze gibt?“
    Er lachte grollend als habe er den Witz des Abends gemacht. Der andere Mann lächelte nur, wandte sich mir zu und streckte mir die Hand übers Buffet entgegen.
    „ Forberig mein Name. Es geht heute Abend um meine Verabschiedung als Golfclub-Präsident. Herr Ungerer würde gerne mein Nachfolger werden. Mal sehen, wie die Neuwahlen ausgehen.“
    Ungerer räusperte sich ärgerlich, und mein Lächeln war schon gefroren. Ich wollte meine Hand zurückziehen, aber Forberig hielt sie fest, schien für einen Moment irritiert und scherzte dann:
    „ Was ist? Keine Angst, er wird bestimmt gewählt. Wen sollte man denn auch sonst wählen, es gibt keinen Gegenkandidaten.“
    „ Natürlich“, sagte ich freundlich und entwandt ihm meine Hand. Aber er merkte, dass doch was war, und insistierte:
    „ Was haben Sie?“
    „ Ach nichts, nur... Das ist ein seltsamer Zufall.“
    „ Was?“
    „ Wie sind sie darauf gekommen, meinen Partyservice zu bestellen?“
    „ Öko

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