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Infernal: Thriller (German Edition)

Infernal: Thriller (German Edition)

Titel: Infernal: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Treffen mit Christopher Wingate könnte sehr wohl auf das Gleiche hinauslaufen. Ich muss davon ausgehen, dass er inzwischen von dem Vorfall im Museum gehört hat. Er wird meinen Namen nicht kennen, doch er wird wissen, dass die Frau, die für den Aufruhr in Hongkong verantwortlich war, ganz genau wie eine der »Schlafenden Frauen« ausgesehen hat. Weiß er auch, dass eine der »Schlafenden Frauen« aussieht wie die Fotografin Jordan Glass? Er kennt meinen Ruf, doch es ist unwahrscheinlich, dass er schon einmal ein Bild von mir gesehen hat. Ich wohne seit zwölf Jahren nicht mehr in New York, und damals waren meine Arbeiten längst nicht so bekannt wie heute. Die eigentliche Gefahr ergibt sich daraus, wie gut Wingate mit dem Maler der »Schlafenden Frauen« bekannt ist. Weiß er, dass die Modelle auf den Gemälden real sind? Dass sie als vermisst und wahrscheinlich tot gelten? Falls ja, dann ist er bereit, um ein Vermögen an Provisionen zu verdienen, die Augen vor den möglichen Morden zu verschließen. Wie gefährlich macht ihn das? Ich werde es erst wissen, wenn ich mit ihm gesprochen habe. Eines ist sicher: Wenn ich zuerst nach Washington fliege und mit dem FBI rede, werden sie mich niemals zu Wingate lassen. Jede Information wird aus zweiter Hand zu mir kommen, genau wie damals, nachdem Jane verschwunden war.
    Ich gehe durch den Zoll am JFK und rolle meinen Koffer zum Schalter von American Airlines, wo ich mein E-Ticket einsammle und mein Gepäck für den Flug aufgebe. Dann verlasse ich das Flughafengebäude und steige in ein Taxi. Ich lasse meine Kameras nur ungern allein nach Washington weiterfliegen, doch wenn ich heute Abend Daniel Baxter anrufe und ihm erzähle, dass ich krank geworden bin und meinen Flug verpasst habe, wird er mir auf diese Weise eher Glauben schenken.
    Bevor ich nach Lower Manhattan fahre, lasse ich mich von dem Cabbie zu einem Pfandleiher in der neunundachtzigsten Straße bringen. Dort kaufe ich für fünfzig Dollar eine chemische Keule, die in meine Tasche passt. Ich würde lieber eine Pistole tragen, doch das Risiko ist einfach zu groß. Das NYPD nimmt Verstöße gegen das Waffengesetz sehr ernst.
    Als das Taxi schließlich vor Wingates Galerie in der Fünfzehnten Straße hält, hat bereits die Dämmerung eingesetzt. Ich stehe vor einem Haus aus braunem Sandstein wie tausend andere in der Stadt, eingerahmt von einer Bar auf der einen und einer Videothek auf der anderen Seite. Die schicke Atmosphäre des Künstlerbezirks von Chelsea findet sich schätzungsweise in einem anderen Bereich des Stadtteils.
    Ich bezahle den Taxifahrer und bitte ihn zu warten, dann steige ich aus und mustere den Eingang. An der Tür gibt es einen Summer, der ganz gewöhnlich aussieht, aber aller Wahrscheinlichkeit nach mit allen möglichen Sicherheitsmechanismen verbunden ist. Ich setze eine Sonnenbrille auf, als ich mich nähere, für den Fall, dass es eine Videokamera gibt.
    Es gibt eine. Ich betätige den Summer und warte.
    »Wer sind Sie?«, erkundigt sich die gleiche, nicht einzuordnende Stimme, die ich von meinem Anruf her kenne.
    »Jordan Glass.«
    »Einen Augenblick bitte.«
    Der Summer summt, das Schloss entriegelt sich, und ich ziehe die Tür auf. Das Erdgeschoss der Galerie liegt im Halbdunkel der Neonröhren im ersten Stock, die durch das Treppenhaus leuchten. Durch meine Sonnenbrille kann ich nicht viel erkennen, doch die Ausstattung erscheint mir höchst spärlich für eine angesagte New Yorker Kunstgalerie. Der Boden besteht aus gebleichten Dielen, die Wände sind weiß. Die Gemälde sehen größtenteils modern aus, oder jedenfalls entsprechen sie meiner Vorstellung von modern. Jede Menge greller Farben, angeordnet in asymmetrischen Mustern, mit denen ich nichts anfangen kann. Man hat mich eine Künstlerin genannt – puristische Fotojournalisten haben mich während gegnerischer Angriffe so genannt –, doch das qualifiziert mich längst nicht als Kunstsachverständige. Ich bin nicht einmal sicher, ob ich Kunst erkennen würde, wenn ich sie sehe.
    »Gefällt Ihnen dieser Lucian Freud?«, fragt die gleiche Stimme, die ich draußen aus dem Lautsprecher gehört habe.
    Ein Mann steht auf dem Treppenabsatz, wo die Eisentreppe eine Biegung um hundertachtzig Grad macht. Mitten in einer Säule aus Licht, als wäre er plötzlich dort materialisiert. Er ist drahtig und wird bereits kahl, doch das kompensiert er mit einem kurz geschorenen schwarzen Stoppelbart. In seiner schwarzen Jeans mit dem T-Shirt und

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