Inferno
bestätigte Xeke.
»Sie erleuchtet das ganze untere Stockwerk!«
Wieder stand Cassie vor einem Rätsel. Sie konnte im ersten Stock absolut keine Helligkeit erkennen, und sie spürte nichts, was man als Lebenskraft bezeichnen konnte. Ich muss ihnen wohl einfach glauben, was sie erzählen.
»Ach«, sagte sie. »Ich habe übrigens auch die Monatssteine.«
Sie blieben auf dem Weg durch die Küche stehen, und Vias, Xekes und Hushs Mienen hellten sich tatsächlich beträchtlich auf, als sie den dargebotenen Silberschmuck mit den Steinen sahen.
»Hervorragend!«, meinte Xeke.
»Seht euch das alles an!«, strahlte Via. »Und sie hat sogar einen Onyx! Das ist ja großartig!«
»Hier, nimm du das besser«, sagte Cassie zu Xeke und wollte ihm den Schmuck geben. »Ich weiß noch nicht mal, wozu wir ihn brauchen.«
»Ich kann das nicht nehmen«, erklärte Xeke. »Keiner von uns kann das.«
»Nicht hier«, ergänzte Via. Sie hielt die Handfläche auf. »Leg einen von deinen Ohrringen in meine Hand.«
Cassie nahm einen Saphir.
Das Schmuckstück fiel einfach durch Vias Hand hindurch.
»Siehst du? Wir können sie erst berühren, wenn wir durch Den Spalt gegangen sind und den Totenpass hinter uns gelassen haben.«
Cassie hatte kapiert – zumindest einigermaßen, also steckte sie sich den ganzen Schmuck wieder in die Tasche. »Die Knochen sind in der Garage.« Sie führte die anderen hinaus, und alle schienen wiederum hocherfreut, als sie die Tüte mit Fischgräten und Knochenmehl erblickten. Cassie allerdings wich zurück, als sie die Tüte öffnete. Die Knochen stanken noch schlimmer als vorhin, als sie die Fischüberreste aus dem Abfalleimer gezogen hatte.
»Wir können wahrscheinlich einmal quer durch die ganze Stadt fahren mit dem ganzen Zeug«, meinte Xeke anerkennend.
Cassie machte die Tüte wieder zu und rümpfte die Nase. »Aber es ist doch nur Müll.«
»Wo wir hinfahren«, erklärte Via, »ist das besser als Bargeld.«
»Die Hierarchen legen ihren Reichtum in Knochen an«, fuhr Xeke fort. »Die einzige Möglichkeit, Knochen aus der Welt der Lebenden in die Stadt zu schaffen, ist über die Macht der Ossifisten.«
Cassies Verwirrung machte sie langsam reizbar. »Hierarchen? Ossifisten? Ich habe keine Ahnung, wovon ihr sprecht.«
Xeke grinste in die Dunkelheit. »Das kommt noch.«
Sie verließen die Garage durch die Seitentür und traten in die schwüle Nacht hinaus. Die Grillen zirpten laut, der Mond tauchte den Wald in fluoreszierendes Licht. Sie schlichen sich um das Haus herum zur Vorderseite, die nach Süden ausgerichtet war. »Ihr habt gesagt, wir gehen in die Stadt.« Cassie blieb stehen. »Diese … Mephistopolis.«
»Stimmt«, erwiderte Via.
»Ihr meint die Hölle, richtig?«
»O ja«, sagte Xeke. »Home, sweet home.«
»Nicht ganz«, korrigierte Via. »Wir wohnen dort nicht mehr – wir dürfen nicht. Wir sind XBs – Exilbürger.«
»Das Gleiche wie Flüchtlinge«, erklärte Xeke. »In der Stadt gibt es zwei soziale Kasten: Plebejer und Hierarchen. Wir sind Plebejer, Bürgerliche, und als XBs ist es uns untersagt, in der Stadt zu wohnen. Wir gelten als Verbrecher, weil wir uns nicht unterworfen haben. Deshalb müssen wir in einem Totenpass wie deinem Haus leben, oder in den Totenpässen der anderen drei Äußeren Sektoren. Es ist beschissen, aber wenn wir zu lange in der Stadt bleiben, kriegen die Constabler das spitz. Wir würden es innerhalb der Stadtgrenzen nicht lange machen.«
Via konnte die Verständnislosigkeit von Cassies Gesicht ablesen. »Glaub mir, es ist einfacher, alles auf dich zukommen zu lassen. Du wirst es nach und nach verstehen. Du willst doch immer noch mit, oder nicht? Du weißt ja, du musst nicht.«
»Ich will mit«, antwortete Cassie gereizt. »Ich will einfach nur genau wissen, wohin wir gehen. Die Hölle? Eigentlich sollte die Hölle keine Stadt sein. Es sollte eine Schwefelgrube sein, ein Feuersee, so was in der Art.«
Xeke kicherte. »So war es auch – vor tausenden von Jahren, als man Luzifer aus dem Himmel geworfen hat. Aber denk doch mal nach. New York City zum Beispiel. Was war New York City vor tausenden von Jahren?«
»Wald, vermute ich mal.« Cassie begriff immer noch nicht. »Einfach nur … Land.«
»Richtig. Ungenutztes Land. Genau so war auch die Hölle, als Luzifer damals ankam; da war einfach nur eine heiße Ebene, Ödland.«
Via formulierte es so: »Genau wie die menschliche Zivilisation sich im Laufe der letzten drei- oder viertausend Jahre
Weitere Kostenlose Bücher