Inferno
Seele in einen Dämon oder einen Gargoyle oder dergleichen.«
Cassie traute sich kaum zu fragen. »Und was passiert, wenn man nicht in der Gunst der Hölle steht?«
»Dann wird die Seele in den Körper einer niedrigeren Spezies versetzt: in den einer Polterratte, in eine Bapho-Schabe oder«, Xeke blieb stehen und zeigte am Wegesrand auf etwas, das wie ein Haufen Tierkot aussah. »Oder ein Exkre-Wurm«, sagte er. »Siehst du das? Jedes dieser Dinger enthält eine unsterbliche, empfindsame menschliche Seele«, beendete Xeke seinen Vortrag.
Cassie verspürte eine leichte Übelkeit, als sie näher hinsah. Der Kothaufen wimmelte vor dicken, schmutzigweißen Würmern. Sie erbleichte im Schutze der karminroten Dunkelheit.
»Am Anfang ist es eklig«, sagte Via. »Dann gewöhnst du dich allmählich daran, wie die Dinge hier laufen.«
Das bezweifelte Cassie stark.
Freundlicherweise fügte Xeke noch hinzu: »Scheiße und Fäulnis und Eiter und Gestank, Grausamkeit, Horror, sinnlose Gewalt und nie endender schierer Terror: Alles wird ganz normal.«
Cassie atmete tief ein, um einen weiteren Übelkeitsanfall zu überwinden.
»So was nimmt man hier hin, wie man in der realen Welt hinnimmt, dass Leute mit ihrem Hund Gassi gehen oder ins Auto steigen und zur Arbeit fahren. Du wirst buchstäblich das Blut in den Rinnstein fließen sehen, so wie man bei dir zu Hause Wasser im Abfluss sieht. Entsetzen ist der Status quo. Das ist Luzifers öffentliche Ordnung.«
Es war nicht nur das, was Xeke und Via erzählten, es war auch die Zwanglosigkeit, mit der sie all das berichteten, die Cassie an die Nieren ging.
Alles ganz normal?
Sie wollte nicht darüber nachdenken. Mit einem letzten Blick auf die ausgemergelten Gestalten auf den heißen Feldern riss sie sich los, dankbar, dass sie ihre Gesichtszüge nicht genau erkennen konnte.
Hush spürte Cassies Beklommenheit; fest drückte sie ihre Hand, wie um sie zu beruhigen. Hie und da sah man Knochen, manche davon menschliche, andere eindeutig nicht. Xeke blieb stehen und hob spielerisch einen großen gehörnten Schädel auf. »Seht euch das an. Das sieht man nicht oft – der Schädel eines Dämonenfürsten.«
Cassie schauderte beim Anblick des riesigen Dämonen-Schädels.
»Sieht aus, als hätte ihn ein Ghor-Hund erwischt, mitten drauf.« Er zeigte Cassie den breiten Gebissabdruck. Irgendetwas hatte den Schädel mit einem einzigen Hieb gespalten. »Hat ihm das Hirn direkt aus dem Kopf gesaugt – das nenn ich ein lecker Fresschen.«
»In den Äußeren Sektoren können Ghor-Hunde so groß wie Pferde werden«, teilte Via mit.
Cassie konnte sich nur ungefähr vorstellen, was ein Ghor-Hund war, irgendeine höllische Variante von einem Hund, und sie bat nicht um nähere Ausführungen. Doch die offensichtliche Gefahr erschreckte sie. Hier draußen liefen Kreaturen in dieser Größe herum?
»Woher wissen wir, dass wir nicht von so einem angegriffen werden?«
»Wir sind Plebejer«, antwortete Xeke. Er schleuderte den gehörnten Schädel weg. »Die machen normalerweise Jagd auf Hierarchen.«
Na super , dachte Cassie. Da fühl ich mich doch gleich viel sicherer.
Noch mehr Knochen lagen rechts und links vom Weg verstreut. »Für mich sieht es nicht gerade so aus, als seien Knochen in der Hölle Mangelware.«
»Sind sie auch nicht. Astralkörper sterben unentwegt. Ich bin sicher, dass Trupps vom Rohstoffministerium bald hier auftauchen, um die alle einzusammeln. Im Industriesektor werden die Knochen zerstoßen und mit Kalkstein gemischt, um daraus Ziegelsteine und Zement zu machen. In der Hölle wird nichts verschwendet.«
»Klingt sehr effektiv«, sagte Cassie ohne Sarkasmus. »Aber ich meinte eigentlich, wenn hier so viele Knochen herumliegen, was ist dann so besonders an meiner Tüte voller Fischgräten?«
»Die Art der Knochen spielt keine Rolle«, erklärte Via. »Wichtig ist, dass deine aus der Welt der Lebenden stammen.«
»Knochen aus der wirklichen Welt sind hier so wertvoll wie Gold«, ergänzte Xeke. »Die Ossifisten benutzen Hexenkunst, um sie herzustellen. Wie die Alchemisten im Mittelalter auf der Erde, die aus Blei Gold herstellen wollten, können die Ossifisten die Knochen von Astralkörpern in richtige Knochen umwandeln. Aber das ist ein aufwändiger und kostspieliger Prozess; deshalb sind sie so wertvoll, und deshalb besitzen nur die obersten Klassen der Hierarchen echte Knochen.«
»Aber jetzt …« Via wirkte zögerlich.
Xeke rieb sich die Hände. »Jetzt kann
Weitere Kostenlose Bücher