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Inferno

Inferno

Titel: Inferno Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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hereinkäme. Ach, kein Grund zur Aufregung, ich suche nur ein paar Knochen. Warum? Weil die toten Kids, die oben unter dem Dach wohnen, mich darum gebeten haben.
    Doch da hatte sie auch schon ihre Knochen gefunden.
    Die Gräten der Welse, die ihr Vater gestern gefangen hatte. Er hatte sie filetiert, und hier waren die Gräten, inklusive der Köpfe.
    So gut sie konnte, wusch sie die langen Rückgrate im Spülbecken ab. Dann wickelte sie die Gräten in Folie und steckte sie in eine Tüte. Als sie in die Garage ging, um die Tüte zu verstecken, machte sie eine weitere Entdeckung. Auf einem der hinteren Regale, neben Unkrautvernichtungsmittel und Guanoflaschen, stand ein Sack Knochenmehl, mit dem Jervis immer die Blumenbeete düngte. Knochen sind Knochen , dachte sie.
    Sie schüttete einige Hand voll davon in ihre Tüte.
    Das sollte reichen.
    Dann versteckte sie die Tüte hinter ein paar unausgepackten Umzugskartons und ging wieder hinaus.
    Jetzt musste sie nur noch warten bis …

KAPITEL FÜNF

I

    Die hohe Standuhr im Foyer schlug Mitternacht. Melodisch klangen die zwölf raschen Schläge durch die Tiefen von Blackwell Hall.
    Doch so dezent das Geräusch auch gewesen sein mochte, es erschreckte Jervis Conner – so sehr, dass er beinahe aufschrie. Er biss sich auf die Lippe und fluchte leise. Schon das winzigste Geräusch von ihm hätte das Aus für sein heimliches Vorhaben bedeutet, und wahrscheinlich hätte er sogar noch mal für ein oder zwei Monate im Knast antreten können.
    Diese kleine Schlampe hier war natürlich nicht mehr minderjährig, nicht wie die Schätzchen, die er heimlich beobachtet hatte, als er noch als Hausmeister in der Luntville Middle School gearbeitet hatte. Ein Wahnsinnsjob für einen Pädophilen. Jervis hatte einfach ein Loch in den Luftschacht auf der anderen Seite der Duschwände geschnitten. Hatte seinen Kopf drangehalten und sich genüsslich die ganzen kleinen weißen Nackedeis angesehen, die da nach dem Sport in den Duschen herumtollten. Jervis war einfallsreich: Er hatte ein Stück Walzblech mit Magneten präpariert, um das Loch abzudecken, wenn er fertig war. Perfekt getarnt. Zu dumm, dass ihn der Direktor buchstäblich mit den Hosen auf den Füßen erwischt hatte.
    Diese kleine Schlampe Cassie war zwar schon zwanzig oder einundzwanzig, aber Jervis bezweifelte, dass dieser Umstand einen Richter zur Milde verleiten würde. Er wusste, von jetzt ab musste er sehr vorsichtig sein.
    Die ersten paar Wochen hatte er ein paar tolle Gelegenheiten zum Spannen gehabt. Wenn man am Ende des Flurs stand und sich hinter der Ecke versteckte, dann konnte man direkt in den hinteren Teil ihres Zimmers sehen, wenn sie die Tür offen gelassen hatte (und sie ließ fast immer die Tür offen). Noch besser war, dass er aus diesem Winkel schnurgerade ins Badezimmer sehen konnte (und diese Tür ließ sie ebenfalls meistens offen). Er hatte sie inzwischen bestimmt zehnmal splitternackt in der Dusche gesehen. Blöd daran war nur, dass Jervis für seinen Geschmack etwas zu weit weg war, und wenn jemand die Treppe hochkam, während er da stand, würde man ihn schnappen.
    Außerdem gab es da noch ein drittes Problem, obwohl das vermutlich bloß Verfolgungswahn war. Die Ecke, hinter der er sich immer versteckte, lag direkt neben der Treppe, die zu diesem komischen Raum mit dem runden Fenster führte. Jervis hatte dieses Zimmer einige Male genutzt, um sich nach der Spannerei zu befriedigen, aber er hatte immer das ungute Gefühl gehabt, dabei beobachtet zu werden. Das Haus jagte ihm tagsüber schon genug Schauer über den Rücken. Aber jetzt in der Nacht – um Mitternacht – war es noch zehnmal schlimmer.
    Nicht, dass Jervis zart besaitet war, keineswegs.
    Er konnte nur das Gefühl nicht loswerden, dass da jemand war, da im Schatten lauerte und ihn ansah.
    Vergiss den Scheiß , befahl er sich selbst. Es würde ihm nur das Spannen verleiden, und Spanner hatten es ohnehin nicht leicht.
    Er hatte übrigens keinerlei schlechtes Gewissen, wenn er heimlich Bräute beobachtete. Er war der Meinung, er verdiene das, war der Meinung, das Leben schulde ihm den ein oder anderen kleinen Spaß für den Umstand, in dieser Kloake von einer Kleinstadt aufzuwachsen, sich den Arsch aufzureißen in einem ätzenden, mies bezahlten Job nach dem anderen, sein ganzes Leben lang. Es war ja nicht so, dass er Banken ausraubte oder Neunjährigen Crack verkaufte, wie die in der Stadt. Es war ja nicht so, dass er Leute umbrachte. Er riskierte nur

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