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Inferno

Inferno

Titel: Inferno Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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Hippie-Grufti-Musik oder las Bücher. Jervis hätte an sich gegen einen kurzen Jeansrock nichts einzuwenden gehabt – aber er war schwarz. Schwarze Jeans? , dachte er. Der größte Quatsch, wo ich je gesehen hab. Diese Grufti-Freaks, immer nur in beschissenem SCHWARZ! Genauso wenig gefiel ihm der winzige Regenbogen über ihrem süßen kleinen Bauchnabel. Es kam ihm vor wie Vandalismus, wie Graffitis auf einer wundervollen Leinwand. Warum mussten die Mädels heutzutage unbedingt ihre eigenen Körper mit diesen bescheuerten Tattoos so verschandeln?
    Die Zeit verstrich. Würde sie sich jetzt endlich ausziehen und ins Bett legen?
    Mann, jetzt komm schon! Wann geht’s endlich los?
    Um zehn Uhr machte sie noch immer keine Anstalten, sich hinzulegen. Jervis hörte, wie sie ihrem Vater im Flur Gute Nacht sagte, hörte den Alten ins Bett gehen, doch danach kam sie zurück ins Zimmer und hörte wieder ihre schwachsinnige Musik. Wenigstens hatte sie jetzt Kopfhörer auf, sodass Jervis nicht das ganze Gestöhne und Gebrülle über den Antichrist-Superstar oder solchen Scheiß mit anhören musste, und über Kids, die sich umbringen wollen. Trotzdem saß Jervis in seinem finsteren Wandschrank ziemlich in der Falle, denn er konnte erst aufstehen und nach Hause fahren, wenn sie eingeschlafen war.
    Wonach es momentan überhaupt nicht aussah.
    Jetzt mach schon, du gelbhaarige kleine Stadtschlampe! Ich hab nicht die ganze Nacht Zeit! Runter mit den Klamotten, damit Jervis was zu wichsen hat!
    Plötzlich schien es, als würde sein Wunsch sich erfüllen. Sie nahm den Kopfhörer ab und sah auf die Uhr; dann stand sie auf.
    RUNTER mit dem Scheiß! Ich will den albernen schwarzen Rock AUF DEM BODEN sehen! WEG mit dem BH und dem Höschen!
    In diesem Moment schlug die Uhr im Erdgeschoss Mitternacht.
    Es schien beinahe ein Signal zu sein; als die Uhr schlug, machte Cassie das Licht aus und verließ das Zimmer.
    Verdammter SCHEISSDRECK!
    Jervis verharrte regungslos in der Dunkelheit, seine Knie schmerzten – und alles war für die Katz.
    Er konnte sie den Flur hinuntergehen hören, das Schlappen der Flipflops. Dann hörte das Schlappen auf, als sie an der Treppe ankam, wie er vermutete.
    Er hörte sie nicht hinuntergehen.
    Vorsichtig, sehr vorsichtig stand er auf und hoffte, dass seine Knie nicht knacken würden. Auf Zehenspitzen schlich er zur Tür und kniete sich wieder hin, diesmal vor dem guten alten Schlüsselloch. Er spähte hinaus.
    Da stand sie, genau an der Treppe, die nach oben zu dem Oculus-Zimmer führte.
    Er wusste, dass er sich das nur einbildete – musste an der Dunkelheit und der späten Stunde liegen -, aber einen Moment lang glaubte er, Schritte die Treppe herunter kommen zu hören. Das ist doch albern. Da oben ist keiner .
    Wie konnte da oben jemand sein?
    Dennoch blieb Cassie dort stehen und sah hinauf, als ob sie darauf wartete, dass jemand zu ihr kam.
    Er hörte sie flüstern: »Mein Vater schläft. Wir können jetzt los.«
    Aber außer ihr war niemand da.
    Mit wem zum TEUFEL redet sie da?
    Cassie drehte sich um und ging die Stufen in den ersten Stock hinunter.
    Sie war allein.
    Dennoch fuhr sie fort zu flüstern. Das Letzte, was Jervis zu hören glaubte, war:
    »Keine Sorge, ich hab sie. Ich hab die Knochen.«

II

    Via, Xeke und Hush kamen wie abgemacht um Mitternacht. Mitternacht war die beste Zeit für einen »Übergang«, wie man Cassie erklärte, schlicht wegen der menschlichen Bedeutung, die es im Laufe der letzten Jahrtausende erhalten hatte. »Wo wir leben, sind Ätherkinder greifbar«, hatte Xeke gesagt. »Was in deiner Welt kosmisch oder spirituell ist, ist in unserer objektive Wissenschaft.«
    Cassie tat nicht einmal so, als ob sie ein Wort verstehen würde.
    Sie durchquerten das dunkle, stille Haus. Via und Xeke gingen voraus. Hush hatte sichtlich Zuneigung zu Cassie gefasst, wann immer es ging, hielt sie ihre Hand. Es war in keiner Weise ein erotischer oder sexueller Kontakt, eher schwesterlich, als ob Hush Cassie als ältere Schwester betrachten würde. Die Hand des jüngeren Mädchens war heiß, was Cassie merkwürdig erschien. Hush war tot. Sollte ihre Hand nicht kalt sein?
    Doch dann ermahnte Cassie sich, dass ihre neuen Freunde überhaupt nicht tot waren. Tot war ein subjektiver Begriff. Auf ihrer eigenen Existenzebene waren sie sehr lebendig, so lebendig wie Cassie in ihrer Welt, der Welt der Lebenden.
    »Du lieber Himmel, deine Aura ist wirklich stark«, sagte Via.
    »Ich fühle sie auch«,

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