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Inferno

Inferno

Titel: Inferno Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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entwickelt hat, hat sich auch die Hölle verändert.«
    »Und genau wie Gottes Geschöpfe hier auf der Erde, haben sich auch Luzifer und sein Herrschaftsgebiet entwickelt. Fortschritt und Technologie gibt es nicht nur in deiner Welt, Cassie, es gibt sie auch in unserer. Diese Schwefelgrube ist inzwischen die größte Stadt, die jemals existierte.«
    Diese Auskünfte besänftigten Cassies Ärger: Sie war wieder fasziniert.
    »Warte nur, bis du sie siehst.« Via ging nun wieder voraus den Hügel hinab.
    Cassie dachte darüber nach. »Wartet mal. Ich habe sie schon gesehen. Durch den Oculus.«
    »Mhm«, gab Via lässig zurück. »Und ich wette, du hast auch davon geträumt. Wenn man in einem Totenpass wohnt und dann auch noch ein Ätherkind ist, lässt sich das kaum vermeiden.«
    Sie hatte Recht.
    Cassie erinnerte sich an den grässlichen Traum von letzter Nacht. Sie hatte eine Stadt gesehen, in der Chaos und Grausamkeit gewütet hatten. Doch nun irritierte sie etwas anderes. Sie gingen den Waldpfad hinunter, auf dem sie und Via sich zuerst begegnet waren. Dieser Pfad führte südlich den Hügel hinab, sie hatten die Vorderseite von Blackwell Hall im Rücken. »Letzte Nacht hab ich sie aus dem Oculus gesehen. Ich habe die Stadt gesehen . Südlich des Hauses, genau dort, wo wir jetzt gehen.« Sie spähte den Pfad hinunter. Vor sich sah sie nur die üblichen sanften Hügel und Wälder. »Warum sehe ich sie jetzt nicht?«
    Hush zog sie an der Hand und zeigte auf etwas; Xeke sagte: »Hier ist der Pass. Nur noch ein paar Schritte …«
    Cassie ging jetzt voraus, die Flipflops knirschten auf dem Teppich aus Zweigen und Laub. Doch allmählich spürte sie etwas Merkwürdiges, als ob sich Druck und Temperatur plötzlich verändern würden. Dann überkam sie ein Gefühl, als zöge man sie durch trockenen Sand.
    Einen Augenblick sah sie nichts als vollständige Dunkelheit.
    Dann...
    »Mein Gott«, murmelte sie und blickte auf.

III

    Warte nur, bis du sie siehst , hatte Via ihr eben erst gesagt, nur ein paar Meter weiter oben auf dem Hügel. Jetzt, ein paar Augenblicke und Schritte weiter, stand Cassie am Fuße einer anderen Welt.
    Sie konnte nicht sprechen, sie konnte kaum denken.
    Sie konnte nur sehen.
    Der Himmel über ihrem Kopf wogte in wechselnden Rottönen. Eine exotische, süßlich riechende Wärme streichelte ihre Haut. Am Horizont hing ein sichelförmiger Mond: ein Mond, der schwarz war und dessen schwarzes Licht wider alle Vernunft ihr Gesicht bestrahlte. Tatsächlich, ein qualmendes Ödland voller Gestrüpp breitete sich vor ihren Füßen über bestimmt einhundert oder sogar einhundertfünfzig Kilometer aus. Sie konnte alles erkennen, jedes Detail in voller Schärfe. Und jenseits dieses verschlungenen Ödlands lag die Mephistopolis.
    Die Silhouette der Stadt mit ihren Häusern, Wolkenkratzern und Türmen wirkte völlig unwirklich vor dem weinroten Horizont. Sie war wahrlich gewaltig. Zu ihrer Linken wie zu ihrer Rechten erstreckte sich die Stadt weiter, als Cassie sehen konnte.
    Rauch – eher schwarzem Dunst ähnlich – stieg von der Stadt in den Himmel auf, neben Myriaden von vielfarbigen Lichtstrahlen, die Cassie als Scheinwerfer identifizierte. Vögel, oder besser gesagt geflügelte Kreaturen , segelten in der Ferne davon.
    Der Anblick des Ganzen verschlug ihr den Atem.
    Die anderen waren inzwischen auch über die Schwelle getreten und standen hinter ihr. Sie schienen Cassies sprachlose Ehrfurcht zu bestaunen.
    »Nicht übel, was?«, meinte Via.
    »Dagegen wirkt Chicago wie ein Provinznest.«
    »Ich konnte es auch kaum fassen, als ich es zum ersten Mal sah. Konnte nicht glauben, dass ich hier die Ewigkeit verbringen sollte.«
    Endlich konnte Cassie wieder sprechen. Sie blickte noch einmal nach rechts und links. »Es hört nicht auf.«
    »Eigentlich schon«, erklärte Xeke. »Schon mal die Offenbarung des Johannes gelesen? In Kapitel einundzwanzig beschreibt Johannes die tatsächlichen physischen Ausmaße des Himmels, daher hat Luzifer mit Absicht dieselben Dimensionen bei seinen Originalentwürfen für die Hölle benutzt. Zwölftausend Stadien. Das macht über 2200 Kilometer in der Länge und noch mal 2200 Kilometer in der Breite – die Fläche hat also fast 5 Millionen Quadratkilometer. Wenn du alle Großstädte auf der Erde zusammenrechnest … dann ist diese immer noch größer.«
    Cassie konnte sich diese Dimensionen nicht so recht vorstellen. »Also baut Luzifer an dieser Stadt, seitdem er bei Gott unten

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