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Inferno - Höllensturz

Inferno - Höllensturz

Titel: Inferno - Höllensturz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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Achatschüssel voller rot glühender Kohlen. Gebannt starrten sie in den Rauch und studierten die Formationen, die aus den Augenhöhlen und dem geöffneten Mund des Toten hervorwirbelten. Die beiden schwarz Gewandeten waren Hierarchen in Luzifers Synode der Rauchdeuter.
    Gary war inzwischen nahezu paralysiert von allem, was er gesehen hatte. »Wi-wi-wi- wir müssen hier weg!«, konnte er gerade noch stammeln.
    Ein Geistesblitz zuckte durch Penelopes Gedanken. »Hier lang! Die Tür zum Treppenhaus ist hier entlang!«
    Sie zog ihn hinter sich her, unter ihren Füßen knirschte etwas … sie wollte gar nicht wissen, was das war. Am Ende des Flurs lichtete sich der Rauch etwas; sie glaubte, eine Ratte vorbeihuschen zu sehen. Nur dass diese Ratte ungefähr die Größe einer Hauskatze hatte, und die rosafarbenen Füße verdächtig an die Hände eines menschlichen Säuglings erinnerten. Die Kreatur quiekte, als Gary sie aus dem Weg trat.
    »Die Tür!«, schrie sie. »Ich kann die Tür nicht sehen!«
    »Die finden wir schon.« Gary war entschlossen. Er tastete sich an der Wand entlang, dann rief er: »Komm hierher! Ich hab sie!«
    Penelope sah zu ihm hinüber und schnappte nach Luft. Seine Hand lag auf der schmiedeeisernen Klinke einer schweren Holztür, die in einen bogenförmigen Türrahmen aus blutverschmierten Granitblöcken eingepasst war. Der Schlussstein des Bogens stellte einen rechteckigen Schädel mit Hörnern auf der Stirn dar, so lang und scharf wie die eines Stiers.
    »Komm schon!«, brüllte Gary und winkte sie zu sich.
    Penelope schauderte. »Gary, das ist nicht die Tür. Hier geht es nicht zum Treppenhaus.«
    Doch er hörte sie nicht; er hatte die Tür bereits geöffnet und wollte gerade hineingehen.
    Er ging nicht hinein. Stattdessen kam etwas heraus.
    Der Tentaculus war eine der neuesten Kreuzungen des Instituts für Teratologie, ein eher minderwertiger Gliederdämon, auch bekannt unter dem Namen mephistius annelida . Die Kreatur stand aufrecht auf zwei Beinen, zwei dünne Ärmchen baumelten an ihren Seiten, und der Unterleib war länglich. Sie hatte die Farbe und schleimige Haut eines Regenwurms, nur dass sie zwei Meter groß war. Statt eines Kopfes trug sie auf den Schultern einen zusätzlichen etwa einen Meter langen Rumpf, an dessen oberem Ende sich ein Maul mit hakenartigen Zähnen befand. Eben dieses Maul heftete sich ohne weitere Verzögerung auf Garys Mund. Schreien konnte er nicht, doch sein Körper erzitterte, als der Rumpf eiligst sämtliche innere Organe aus Gary heraussaugte und in seinen eigenen Verdauungstrakt beförderte. Voller Abscheu sah Penelope zu; der Unterleib der Kreatur schwoll nach dieser frischen Mahlzeit plötzlich an. Gary brach zusammen, nun beträchtlich leichter, als er es noch vor wenigen Augenblicken gewesen war. Der Tentaculus rülpste, dann wurde die Tür wieder zugeschlagen.
    Penelope rannte, hinter ihr gellten Schreie. Sie wusste nicht, wo sie eigentlich hinlief, aber Rennen schien die einzig logische Reaktion. Selbst durch den stinkenden Rauch hindurch konnte sie erkennen, dass der Keller sich verändert hatte. Sie vermutete, dass sich das gesamte Gebäude verändert hatte. Teile davon waren mit etwas anderem verschmolzen, mit etwas Bösem. Hinter ihr erstarb das Maschinengewehrfeuer, stattdessen ertönten noch mehr Schreie. Instinktiv blickte sich Penelope ein letztes Mal um und sah, dass der verbliebene Wachmann von unförmigen Trollen angefallen wurde. Sie sah seinem Sterben nicht länger zu, bemerkte jedoch etwas anderes. Die imposante Gestalt in dem weißen Umhang kam über den Flur auf sie zu, gefolgt von einem weiteren, noch größeren Wesen: einem Mann, dem schönsten Mann, den sie je im Leben gesehen hatte. Er war schlank, muskulös, dabei zugleich graziös. Er schien zu schweben, um den Kopf wand sich ein Ring aus Licht – eine Gloriole. Noch mehr Licht floss aus seinen durchdringenden Augen. Er war vollkommen nackt, und einen winzigen Augenblick lang sah er Penelope durch den Rauch hindurch an und lächelte – das atemberaubendste Lächeln, das sie sich vorstellen konnte.
    »Hallo Penelope«, sagte er zu ihr, doch seine Stimme war eher Licht als Ton.
    Penelope starrte ihn völlig gebannt an.
    »Mein Name ist Zeihl.«
    Sie konnte die Augen nicht von diesem wundervollen Mann abwenden.
    »Du wirst heute Nacht etwas sehen, das noch nie zuvor in der Geschichte geschehen ist«, ertönte die Lichtstimme weiter. »Heute Nacht wirst du den Tod eines Unsterblichen

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