Inferno - Höllensturz
schon gesagt«, meinte sie genervt. »Ich darf nicht hinter das Tor, und selbst wenn ich dürfte, ich hab keinen Schlüssel für das Vorhängeschloss.«
»Ich seh mir das mal an …«
»Gary, bist du begriffsstutzig? Es ist ab-ge-schlossen.«
»Hör auf rumzuquatschen und mach die Augen auf.«
Penelope runzelte die Stirn und blinzelte durch das kleine Fenster. Die Stirn blieb nicht lange gerunzelt. Das Vorhängeschloss war offen.
»Das sind mir ja tolle Wachmänner hier unten, was?«
»Sie müssen vergessen haben, das Tor wieder abzuschließen, als ihre Schicht anfing.«
»Ach komm schon …«
»Gary, nein! Sie können jeden Moment rauskommen!«
»Klar, und wenn, dann sagst du einfach nur: ›Hey Jungs, ich zeig nur meinem Freund das Haus, und, ach übrigens, ihr habt aus Versehen das Tor offen gelassen, aber keine Sorge, ich sag dem Chef nichts.‹ Genau das erzählst du denen, falls einer rauskommt.« Gary war nicht davon abzubringen; er war schon am Tor und wollte hindurch. Penelope kochte vor Wut, doch sie konnte nichts anderes tun als mitzukommen.
Leise öffnete er das Tor. Beide traten hindurch. Am hintersten Ende des Flurs war eine Tür mit der Aufschrift: KARTENARCHIV. Daneben eine, auf der stand: WACHSTUBE. Neben Gary und Penelope befand sich eine weitere Tür mit einem Fenster darin, laut Schild der KESSELRAUM. Die beiden schlüpften hinein.
»Kesselraum, was?«, murmelte er, als sie vor der nächsten Merkwürdigkeit dieser Nacht standen. Bestürzt sah Penelope sich um. Es waren keine Kessel zu sehen.
Dafür gab es aber einen Waffenspind.
Vier schwarze Gewehre standen in dem Metallgestell, durch eine Kette, die durch die Abzugsbügel führte, gesichert. Auf dem Boden, ebenfalls angekettet und verschlossen, standen zehn olivgrüne Metallkisten, jede mit Schablonenbuchstaben beschriftet: 200 PATRONEN, MSC LOT 1-M62-4, 5.56MM.
Gary meinte sarkastisch: »Hm, man könnte wohl sagen, dass Ahrens seine Leute tatsächlich bewaffnet. Vier automatische Maschinengewehre der Spitzenklasse plus zweitausend Ladungen Munition. Du weißt schon, um sich gegen die ganzen Leute zu verteidigen, die hier einbrechen um die Landkarten zu klauen.«
Das war wirklich seltsam. Penelopes lodernde Begierde war nun endgültig verdrängt. Sie hatte die anderen Wachleute gelegentlich mit Waffen im Holster gesehen, doch was für eine Erklärung gab es für die ganzen automatischen Waffen hier unten? In einer Landkartenbibliothek?
»Wie ich schon sagte, genau wie damals in der Army«, fuhr Gary fort. »Gefälschte Türschilder, falsche zivile Wachleute. Die Leute sollen glauben, dass das eine Bibliothek ist, damit niemand sich die Mühe macht, einzubrechen. Das ist nur eine Tarnung, eine Fassade. Hier gibt’s gar keine Landkarten. Das muss was Militärisches sein.«
»Also sind die in Wirklichkeit von der Militärpolizei und tun nur so, als wären sie ziviles Wachpersonal?«, fragte Penelope.
»Nicht von der U.S. Army, nicht bei diesen Waffen.« Er deutete auf das Regal. »Das sind SA-80s. Wenn diese Wachleute von der Army wären, hätten sie M-16s. Die Einzigen, von denen ich weiß, dass sie die SA-80 im großen Stil benutzen, sind die Engländer und die Schweizergarde, und …« Die Worte erstarben, Garys Augen weiteten sich. Auf dem schwarzen Polykarbonat-Schaft eines der Gewehre hatte er winzige Buchstaben entdeckt: EIGENTUM DER 2/37. Kompanie VIKTOR, SCHWEIZERGARDE.
»Diese Jungs sind tatsächlich von der Schweizergarde, das ist doch wohl das Abgefahrenste, was ich je gehört habe.«
»Gary, wer ist denn die Schweizergarde?« Penelope brüllte schon beinahe, weil sie nichts mehr verstand.
»Die Armee des Vatikans.«
»Und wir haben gerade herausgefunden, dass die Bibliothek auf einem Grundstück steht, das …«
»Der katholischen Kirche gehört«, beendete Gary den Satz.
Genau , stimmte Penelope endlich zu. Doch was ging hier unten eigentlich vor? Was wurde an diesem Ort wirklich aufbewahrt?
Penelope würde die Antwort darauf nie erfahren, doch das war nicht das Entscheidende. Der Raum begann zu vibrieren, dann zeigten sich erste Risse in den Betonwänden. Plötzlich schwankte der Boden so heftig, dass Penelope kaum aufrecht stehen konnte. Brocken aus der Decke fielen auf sie herab und Gary schrie: »Ein Erdbeben! Raus hier!«
Verzweifelt stolperten sie zurück in den Flur und mussten sofort würgen. Überall war beißender Rauch. Der Qualm wirkte im Licht der Notbeleuchtung grün, und wenngleich sie nicht
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