Infernoclub 3 Mein verlockender Earl
er sich immer noch vor dem Gefängnis fürchtet, dachte James, als der Drake, den er kannte, langsam die Oberhand über den Mörder in sich gewann. Seine Finger zuckten um den Messergriff.
„Hier. Nimm die, um ihn zu fesseln.“ Schnell fand James die Handschellen, die Talon, sein verstorbener Wachmann, für Drake verwendet hatte.
Vielleicht ist es doch richtig gewesen, ihn damit zu bändigen, überlegte James. Talon hatte stets behauptet, Drake sei über alle Maßen gefährlich. Da James den Earl so viele Wochen in seiner Hilflosigkeit beobachtet hatte, geriet dieser Wesenszug leicht in Vergessenheit.
Nach all dem, was hier gerade geschehen war, sollte er sich diesen Punkt vielleicht öfter ins Gedächtnis rufen.
Schwer atmend nahm Drake die Fesseln mit einem bitteren Lächeln und legte sie dem stöhnenden, halb bewusstlosen Niall an. Dann reichte James ihm die eisernen Fußfesseln.
Auch diese legte Drake dem Prometheusianer an, erhob sich und steckte sein Messer in die Scheide an seinem Gürtel. Er blickte James an. „Geht es Ihnen gut, Sir?“
Ungeduldig winkte der Ältere ab. „Natürlich. Was, um alles in der Welt, tust du hier?“
„Ich bin entkommen. Wir haben nur wenig Zeit, denn die Agenten des Ordens sind mir dicht auf den Fersen.“
„Wie ist es dir gelungen zu fliehen?“, fragte James mit argwöhnischem Unterton in der Stimme. Immerhin konnte es sich um eine Falle des Ordens handeln.
„Keine Zeit für Erklärungen. Wir müssen verschwinden. Sofort. Ein halbes Dutzend Männer sind hinter mir her.“
James runzelte die Stirn und reichte Drake ein sauberes Taschentuch, damit er sich das Blut von der Stirn wischen konnte. „Kommen Sie, Sir, wir müssen wirklich gehen.“
Nach kurzem Zögern entschied James sich, ihm zu vertrauen. Wenn Malcolm ihn bereits verdächtigte, einen Aufstand zu planen, hatte er keine Wahl. Da Talon tot war, konnte nur noch Drake ihn beschützen. „Nun denn, sei so gut und bring mir meinen Mantel, Junge.“
Während Drake seiner Bitte nachkam, kümmerte James sich um die Pergamentrollen.
Als der bewusstlose Niall erneut leise stöhnte, blickte Drake ihn kalt an. „Warum wollten Sie nicht, dass ich ihn töte?“
„Soll der Orden ihn haben. Vielleicht geben sie dann die Suche nach dir auf.“ James zog sich seinen Mantel über und reichte Drake die Reisetasche, die er bereits gepackt hatte. Schließlich hatte er geplant, England am nächsten Tag zu verlassen, um zu den verschiedenen Stützpunkten der anderen Anführer der Prometheusianer zu reisen. Er würde ihnen die Rollen zeigen und von seinem Plan berichten.
Also nahm James die Kiste mit den Schriftrollen und nickte seinem ungestümen jungen Freund zu. Dann verließen sie die Suite und eilten den Korridor entlang. Mit seiner Waffe in der Hand begleitete Drake den alten Mann die Hintertreppe hinunter. Wachsam sah er sich immer wieder um und suchte nach Anzeichen dafür, ob der Orden ihnen auf den Fersen war.
„Kommen Sie, Sir. Wir sollten zum Fluss gehen, denn ein Boot wird uns am schnellsten in Sicherheit bringen. Ihre Kutsche ist zu auffällig - man darf uns nicht erkennen. Ich rufe uns eine Droschke.“
Mit einem Blick in das Gesicht des ehemaligen Agenten nickte James knapp. Er hatte sich daran gewöhnt, Drake in einem kindlichen, vertrauensseligen Zustand zu sehen. Doch nachdem er miterlebt hatte, welch tödliche Kräfte der Krieger besaß, fragte James sich, ob Drake ihm nicht etwas vorgespielt hatte. War es wirklich möglich, dass er diesen Mann in einen Prometheusianer verwandelt hatte?
Es schien so. Verwirrt blickte James ihm nach, als der Earl furchtlos auf die Straße trat. Drake hob die Finger an seine Lippen, stieß einen lauten Pfiff aus und winkte, um die Kutscher auf sich aufmerksam zu machen.
James zuckte zusammen und hoffte, dass die Agenten des Ordens, die ihnen angeblich folgten, den Pfiff nicht gehört hatten.
Dann kehrte Drake zu der Mauer zurück, in deren Schatten James wartete. Der ältere Mann beobachtete, wie er ungeduldig auf und ab ging, während er auf die Kutsche wartete. „Es scheint dir viel besser zu gehen.“
„Ein wenig, ja.“
Mehr sagte er nicht, bis James ihn direkt fragte: „Hast du dein Gedächtnis zurückerlangt, mein Junge?“
Für einen Augenblick zögerte Drake und wandte sich ihm dann zu. „Jedenfalls so weit, dass ich weiß, wem ich vertrauen kann und wem nicht. Die Bastarde haben mich im Stich gelassen“, fügte er harsch hinzu. „Sie hingegen
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