Infernoclub 3 Mein verlockender Earl
Seine Königliche Hoheit keinen Gefallen an klassischer Zurückhaltung.
Natürlich wusste Jordan die Ausmaße dieser Monstrosität ungeachtet der Kriegsschulden zu schätzen.
Es war die Ausstattung, die ihm Kopfweh bereitete. „Kein Wunder, dass er an der Gicht leidet“, flüsterte er Mara zu. „Wenn ich hier leben müsste, ginge es mir ebenso.“
Tadelnd presste sie die Lippen fest aufeinander, dann stieß sie Jordan den Ellbogen in die Rippen und nickte in Richtung des vorangehenden Dieners. „Nicht dass er Sie hört!“
Doch Jordan konnte der Versuchung, Mara erneut zu necken, nicht widerstehen. Ihr Lachen würde weithin hörbar von den marmornen Wänden abprallen. „Ich hätte Marschverpflegung mitbringen sollen“, murmelte er fast unhörbar. „Sie haben mir verschwiegen, dass wir fast den ganzen Tag unterwegs sein würden.“
„Benehmen Sie sich, Sie freches Subjekt“, warnte Mara, als sie dem Diener in Prinnys privaten Flügel folgten, in dem der Regent lebte und Freunde empfing.
Doch es stimmte. Jordan hatte bei den zahlreichen Salons und Treppenaufgängen schon längst den Überblick verloren. Auf ihrem Weg sah er Kammern und Korridore in allen Formen und Größen. Nicht nur quadratische und rechteckige Räume standen dem vergnügungssüchtigen Prinzen zur Verfügung, nein. Auch ein riesiges Oktogon und einige runde Räume. Zudem zwei Bibliotheken, fünf Speisesäle und das berühmte Konservatorium, in dem zweihundert Gäste Platz fanden, wie Mara in der Kutsche berichtet hatte.
„Mir ist tatsächlich ein wenig schwindelig. Haben Sie an das Riechsalz gedacht, für den Fall, dass ich ohnmächtig werde?“ „Keine Sorge, wenn das passiert, werde ich Sie wiederbeleben“, entgegnete Mara im gleichen scherzhaften Ton wie er. Und dann: „Vorsicht mit dem Gemälde, Jordan!“
„Ja, Liebes“, erwiderte er breit grinsend.
Als der Diener ihnen mit erhobenen, weißbehandschuhten Fingern Einhalt gebot, stützte Jordan den Gerrit Dou auf einen zierlichen goldenen Konsoltisch.
Der livrierte Mann ging durch die nächste Tür, erschien einen Augenblick später jedoch schon wieder. „Seine Königliche Hoheit wird Sie nun empfangen, Mylady. Mylord.“
Sie betraten einen Salon, dessen Proportionen sehr viel normaler waren als alles bisher Gesehene. Zuerst ging Mara hinein und wurde dem Status ihres Freundes mit einem formalen Knicks gerecht. Nachdem er das Gemälde abgestellt hatte, verbeugte auch Jordan sich vor dem zukünftigen König.
Mit offenen Armen und einem breiten Lächeln begrüßte der Regent sie. „Lady Pierson! Kommen Sie, kommen Sie herein, meine Liebe!“ Strahlend erhob sich der vierundfünfzigjährige Prinz wie ein wahrer Gentleman, um seine Freundin zu begrüßen.
Seltsamerweise war Jordans erster Gedanke, dass „Prinny“ bei Weitem nicht so fett war, wie die Karikaturisten ihn gerne darstellten.
Der „führende Gentleman Europas“ trug die modische Kleidung eines Dandys. Jordans Meinung nach hatte Beau Brummeil dem Land einen großen Dienst erwiesen, indem er den Regenten davon abgebracht hatte, sich seinem Sinn für Dekoration entsprechend zu kleiden.
Gott sei Dank war er nicht über und über mit Diamanten bedeckt wie Napoleon. Der schlichte schwarze Mantel Seiner Königlichen Hoheit war von makellosem Schnitt, das gerötete Gesicht des Prinzen zwar dicklich, doch glatt rasiert und ohne den weißen Gesichtspuder und das Rouge, die vor wenigen Jahren noch beliebt bei den modischen Gecken gewesen waren.
Ah, die Dandys gegen die Gecken. Eine endlose Diskussion. Zu der Zeit, als Jordan zum ersten Mal der jungen Mara Bryce begegnet war, hatten sich diese beiden Gruppen Handgreiflichkeiten auf den Straßen geliefert und sich gegenseitig wegen ihrer Kleidung beschimpft.
„Meine herzlichsten Glückwünsche an Euch und Eure Tochter. Ihr müsst sehr erfreut sein“, gratulierte Mara dem Regenten.
„Ich bin in der Tat sehr froh, die ganze verfluchte Angelegenheit erledigt zu haben“, entgegnete er, während er Maras behandschuhte Finger festhielt und die Viscountess mit großer Zuneigung anblickte. „Ich hatte schon geglaubt, niemals einen Mann zu finden, den das eigensinnige junge Ding akzeptieren würde.“
„Nun, wenn eine zukünftige Königin kein Mitspracherecht darin hat, wen sie heiratet, was soll dann ein einfaches Mädchen sagen? Ihr habt ein gutes Herz, ihr diesen Wunsch zu gewähren.“
Der Regent schnaubte. „Zumindest kann sie mir nun nicht die Schuld geben,
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