Infernoclub 3 Mein verlockender Earl
junges Mädchen mit zerzaustem, langem braunen Haar.
Parker griff sie am Arm, um sie daran zu hindern, näher zu treten. Entschlossen wehrte sie sich und sah dann verzweifelt an dem Soldaten vorbei. In dem Moment, als ihr Blick auf Drake fiel, blieb sie regungslos stehen.
„Es ist wahr“, sagte sie mit erstickter Stimme. „Sie leben!“ „Es gibt dich wirklich?“ Drakes leise Stimme klang verblüfft. „Drake, du kennst sie?“, drängte Max.
Doch der Earl starrte sie nur an. „Ich dachte, du wärst ein Traum“, flüsterte er. In seinen dunkelsten Stunden war sie allein in der bayerischen Folterkammer bei ihm gewesen, als er die Hölle auf Erden durchleben musste. Ein ruhiges, liebevolles Wesen, das über ihn gewacht hatte, ein Engel des Waldes, den sein Wahn heraufbeschworen hatte. Dieser reizende Geist schien immer bei Drake gewesen zu sein, bis er beschlossen hatte, dass er ein Produkt seiner Fantasie sein musste. Nun stand sie da. Ein Mensch aus Fleisch und Blut.
Das Mädchen mit den violetten Augen.
Während der nächsten Woche stellte Jordan fest, dass es schwer war, jemanden „auf Händen zu tragen“, wie Max es ausgedrückt hatte, wenn man so viel vor diesem Menschen verbergen musste. Trotzdem hatte er sich entschlossen, den Rat seines Freundes zu befolgen, was Mara betraf.
Selten gab einem das Leben eine zweite Chance. Diese Gelegenheit würde Jordan beim Schopf packen und sehen, was sich daraus entwickelte.
Schon bald ließ der Klatsch über Mara und den Regenten nach, denn die Gespräche des ton drehten sich seit Kurzem nur noch um ein Thema: Was geht zwischen Lady Pierson und Lord Falconridge vor sich?
Die beiden schlenderten durch die Bond Street, gingen mit Thomas zum Ponyreiten, und Jordan gab Mara ihre erste Schießlektion.
Am Samstagabend gingen sie gemeinsam in die Oper, wo Jordan seiner Begleitung Lady Daphne Rotherstone und ihre rothaarige Freundin Miss Carissa Portland vorstellte. Da Max sich noch bei Drake im Norden aufhielt, wurden die zwei Damen von Beau begleitet.
Nachdem der junge Viscount Mara gemustert hatte, nickte er Jordan unauffällig anerkennend zu. Währenddessen überhäuften Daphne und Carissa die arme Mara mit Fragen, bis Jordan Erbarmen hatte und seine Begleiterin rettete. Seine beiden Freundinnen waren ihm gegenüber sehr fürsorglich - wie hingebungsvolle Schwestern, stellte er amüsiert fest.
Dann erreichte London die Neuigkeit, dass der Regent aus Brighton zurückgekehrt war, und die Verlobung von Prinzessin Charlotte und Prinz Leopold wurde bekannt gegeben.
Jetzt, da jedermann von den guten Neuigkeiten wusste, wollte Mara dem stolzen Vater der zukünftigen Braut den Gerrit Dou schenken, ehe Carlton House von Geschenken überflutet war. Und sie bestand darauf, dass Jordan sie begleitete und das kostbare Gemälde für sie trug. Unmöglich könne der Transport des Meisterwerkes einem Diener überlassen werden, hatte sie mit gespielt unschuldigem Augenaufschlag behauptet.
Jordan verdrängte sein schlechtes Gewissen und versicherte, er würde Mara mit großer Freude behilflich sein. Vielleicht gefiel ihr der Gedanke, Jordan ihrem königlichen Freund vorzustellen? Wollte sie vielleicht wissen, was „George“ von dem Earl dachte?
Am folgenden Nachmittag begleitete Jordan sie also nach Carlton House. Ein geschäftiger kleiner Diener führte beide mit hocherhobenem Haupt durch die riesigen Räume.
Den Gerrit Dou, der nun in pfauenblaue Seide verpackt und mit einer samtenen weißen Schleife verziert war, trug Jordan, der fürchtete, dass das wertvolle Geschenk in dem weitläufigen Carlton House untergehen würde.
Mit zynischem Blick studierte der Earl das Stadthaus.
Obwohl er Überraschung ob der Verlobung vorgetäuscht hatte, konnte noch nicht einmal ein geschickter Lügner wie Jordan vorgeben, dass Prinnys prunkvolles Heim seinem Geschmack entsprach.
„Prunkvoll“ war angesichts dieses kitschigen Überflusses sogar noch untertrieben. Im ganzen Haus gab es keine einzige glatte, unverzierte oder unbedeckte Oberfläche. Verschnörkelte Arabesken, Vergoldungen, herausgearbeitete Friese, korinthische Marmorsäulen jeder Farbe, genug Blumen für zehn Beerdigungen, bemalte Decken, gemusterte Teppiche überall. An jeder Wand hingen wahre künstlerische Kostbarkeiten. Es war unglaublich. In den Räumen kämpfte chinesischer mit gotischem Stil, die mit griechisch-römischen Gegenständen um die Aufmerksamkeit des Betrachters buhlten. Ganz offensichtlich fand
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