Infinity Ewig Dein
Abends wirklich noch einmal dorthin wollte.
Nachdem Eve doch endlich von ihrer Erschöpfung überwältigt worden war, schlief sie bis zum Nachmittag durch. Erst als ihr Vater mit einem Becher Tee vor ihrem Bett stand, wurde sie wach.
„Liebling, bist du krank oder warum liegst du um diese Zeit immer noch im Bett?“
Eves Vater, Michael Bloom, war ein liebevoller Mann mit schütterem, grauem Haar, einem Bäuchlein und tiefen Falten um die Mundwinkel, der sich nach dem Tod seiner Frau aufopferungsvoll um die gemeinsame Tochter kümmerte. Seinen Job als Leiter der Hunter Bibliothek hatte er unter anderem dank seiner ruhigen und besonnenen Art bekommen, die er auch beim Umgang mit seiner Tochter an den Tag legte.
Trotzdem durfte er auf keinen Fall wissen, dass Eve gestern heimlich ausgegangen war.
Sie richtete sich im Bett auf und zog die Decke bis unter die Nasenspitze.
„Ja, irgendwie fühl ich mich nicht so wohl. Kopfschmerzen, Bauchweh, naja, nichts Schlimmes eigentlich“, flunkerte sie.
„Oje, mein armes Mädchen!“ Eves Vater setzte sich zu ihr auf das Bett und fühlte ihre Stirn.
„Nein, kein Fieber, aber ich glaube, ich hab genau das Richtige für dich, warte mal kurz“, meinte er, erhob sich schwerfällig und eilte aus dem Zimmer.
Kurz darauf kam er mit einem großen Stapel Bücher unter dem Arm zurück.
„Ich hab hier die neuesten Vampir-Romane für dich. Ich hab mir sagen lassen, die wären ganz famos!“
„Famos“ war eines der Lieblingswörter ihres Vaters, auch oder gerade weil sonst niemand mehr dieses Wort zu verwenden schien. Michael Bloom setzte sich nach Kräften für die Pflege der englischen Sprache ein.
Eve freute sich sehr über die Bücher und verbrachte den restlichen Tag mit deren Lektüre im Bett. Für sie gab es eigentlich nichts Schöneres als die Welt der Vampire, sie tauchte nur zu gern in dieses fremde Universum voller Abenteuer und Gefahren ein.
In den letzten zwei Jahren hatte sie vermutlich alle Geschichten gelesen, die je über Vampire geschrieben worden waren, am liebsten natürlich die romantischen Liebesgeschichten. Denn Liebe wünschte sie sich am allermeisten in ihrem Leben.
Leider war Eve noch nie sonderlich beliebt gewesen. Nachdem ihre Mutter gestorben war, hatte sie sich immer mehr in sich zurückgezogen und viel Zeit mit ihrem Vater in der Bibliothek verbracht. Da Lesen unter den New Yorker Jugendlichen nicht gerade das angesagteste Hobby war, galt sie schnell als langweilig und wegen ihrer Introvertiertheit auch als ein bisschen sonderbar. Hinzu kam, dass sie nicht wie ihre Mitschüler an der Privatschule auf der Upper East Side ein vermögendes Elternhaus vorweisen konnte. Sie besuchte die Schule nur, weil das Hunter College nun mal zufällig in der Nähe lag und ihr Vater und sie eine kleine Wohnung für Angestellte in dem Gebäude der College-Bibliothek bewohnten. Das Hunter College übernahm auch einen Teil von Eves Schuldgeld, andernfalls hätten sie sich den Besuch der Privatschule gar nicht leisten können. Dieser Umstand machte sie in den Augen ihrer Mitschüler nicht zu einer der ihren, sondern verschaffte ihr allenfalls den Rang einer untergebenen Dienstbotin
Die Geschichten über Vampire las Eve auch deshalb so gerne, weil die sich aufgrund ihrer viel gerühmten übermenschlichen Schönheit und ihres Charmes keine Sorgen über Unbeliebtheit oder Mobbing machen mussten. Die grenzenlosen Möglichkeiten der Vampire mit ihrem Dasein – Leben konnte man es ja nicht nennen – tun und lassen zu können, was sie wollten, faszinierten Eve.
Vampire waren einfach anders und Eve fühlte sich auch anders als die meisten Menschen. Oh könnte sie doch nur einem echten Vampir begegnen – sie würde ihn sofort bitten, sie zu seinesgleichen zu machen!
Adam
Zu Adams großem Bedauern schien es so, als hätte Eve nicht vor, an diesem Tag die Wohnung zu verlassen. Da sie mittlerweile wach war, konnte er auch nicht mehr auf dem Sims ihres Zimmerfensters sitzen und sie beobachten. Wäre er dabei entdeckt worden, hätte ihn das auf jeden Fall in Erklärungsnöte gebracht – wie er es ohne Feuerleiter dort herauf geschaffte hatte, wie er Eves Wohnung hatte ausfindig machen können und natürlich, warum er sie die ganze Zeit anstarrte.
Adam war wieder geräuschlos auf den Boden hinunter geglitten, als Eves Vater das Zimmer betreten hatte.
Seitdem saß er versteckt hinter einer Säule des Arkadengangs im Innenhof der Hunter Bibliothek, wo im
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