Infinity (German Edition)
nicht so allgemein bekannt. Genau genommen ist er ein Ex-Geheimdienstler. Was er jetzt tut, war nicht in Erfahrung zu bringen. Aber laut meinem Informanten erledigt er die Schmutzarbeit für unterschiedliche private Firmen …«
»Wetten, SanaLife hat ihn auf der Lohnliste?« Klara nagte aufgeregt an ihrer Unterlippe.
»Wie auch immer. Er wohnt gar nicht weit von hier entfernt.«
»Ah! Haben Sie deshalb dieses Kaffeehaus als Treffpunkt gewählt?« Sie beugte sich über den Tisch und suchte seinen Blick. Alens Vater entblößte beim Lachen blendend weiße Zähne. Er sah umwerfend aus.
Das ist Alens Lachen, schoss es Klara durch den Kopf. Das Bild pflanzte sich in ihr fort wie Kreise im Wasser, in das jemand einen Stein geworfen hat.
»Gut beobachtet.« Er vertiefte sein Lächeln noch etwas. »Ich habe eine Schwäche für durchkomponierte Inszenierungen.«
Klara musste sich zwingen, nicht auf seinen Mund zu starren. Angestrengt rührte sie in ihrem Frühstückskaffee. »Ich nehme nicht an, dass Sie selbst vor Ort Nachforschungen angestellt haben.« Lucies Bemerkung über die unüberwindbaren Sicherheitssperren des Polizeicomputers fiel ihr wieder ein. »Wie sind Sie an den Namen und die Adresse gekommen?«
Er zog die Augenbrauen hoch. Die Augäpfel glänzten hell gegen seine fast schwarze Haut. »So neugierig?«
Klara wetzte nervös auf dem Plastikstuhl herum. »Tut mir leid … ich wollte nicht … indiskret sein …« Trotzdem hätte sie es gern gewusst. Jetzt erst recht. Lucie fragte bestimmt danach. Falls sie überhaupt noch mit ihr sprechen würde …
»Wenn man in einer Position wie meiner ist, hat man seine Quellen. Auf einem Markt, der so … heiß umkämpft ist, muss man zusehen, dass man immer auf dem Laufenden bleibt. Und wenn möglich den anderen um eine Nasenlänge voraus sein. Wer da kein perfektes Nachrichtensystem besitzt, ist sehr schnell weg vom Fenster.«
Warum hatte sie nur gefragt? Sie wollte in den heiß umkämpften Markt, wie er das gewissenlose Buhlen um die Süchtigen so wohlwollend umschrieb, keinen Einblick gewinnen. Sie wollte nicht in die Verlegenheit kommen, plötzlich Verständnis zu empfinden oder für Erklärungen empfänglich zu sein. Mama machte es richtig. Schwarz ist Schwarz und Weiß ist Weiß. Was böse ist, bleibt schlecht. Auch wenn der Mensch dazu plötzlich ein Gesicht bekommt … und noch dazu ein ziemlich beeindruckendes.
»Ich denke, es ist besser, wenn ich jetzt wieder gehe.« Abwehr färbte ihre Stimme dunkel. Sie hatte das Gefühl, keine Minute länger seine Gegenwart ertragen zu können.
Mozart rettete wieder einmal die Situation. Erleichtert versenkte sie den Kopf in ihrer Tasche, um nach dem Handy zu kramen. Lucie! Noch nie hatte sie sich so gefreut, den Namen ihrer Erzrivalin auf dem Display zu lesen.
»Wo wohnt er denn jetzt, dieser feine Herr Schwarz?«, stieß sie hervor, bevor sie den Regler nach rechts schob. »Hallo, Lucie, bleib kurz dran … ich muss nur noch schnell was klären«, fügte sie nahtlos an und warf einen fragenden Blick auf Alens Vater.
Der setzte schon wieder dieses verdammt aufwühlende Lächeln auf und kritzelte eine Adresse auf die Serviette. Ohne auf ihre Reaktion zu warten, erhob er sich, legte ihr kurz eine Hand auf die Schulter und ging zur Bar. Klara beobachtete, dass er ein paar Scheine aus der Gesäßtasche seiner Anzughose zog und auf ihren Tisch deutete. Der Kellner überschlug sich beinahe angesichts des Trinkgeldes, das er liegen ließ, und Klara folgte ihm mit den Augen, bis er hinter der markanten, schwarz gestrichenen Eingangstür verschwunden war.
»Lucie? Bist du noch dran? Kennst du die …« Sie drehte die Serviette zu sich her. »… Ahornergasse? Genau! Dort um die Ecke, wo wir letztes Jahr die Exkursion in die Kurier-Redaktion gemacht haben. Treffen wir uns dort? … Super. In zwanzig Minuten. Ich geh schon mal vor.«
Sie wollte gerade aufstehen, als sie auf dem Tisch die Zeitung liegen sah, die Alens Vater mitgebracht hatte. Sie kam ihr ungewöhnlich dick vor – selbst für eine Feiertagsausgabe. Misstrauisch beäugte sie sie von der Seite. Mit zwei Fingern hob sie die Titelseite an, beugte sich tiefer, um zwischen die Blätter sehen zu können. Sie meinte einen hellblauen Buchrücken zu erkennen. Das war doch nicht etwa …? Augenblicklich kribbelte ihre Kopfhaut.
Alens Babyalbum!
Wie konnte er das einfach so liegen lassen? Woher hatte er gewusst, dass sie es finden würde?
So neugierig?
Makame
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