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Infinity (German Edition)

Infinity (German Edition)

Titel: Infinity (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Gfrerer
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so anblaffen … vorhin …«, rief sie ihr hinterher. Die Türen fuhren mit einem Zischen auseinander. Hatte sie sie noch gehört? Klaras Blick bohrte sich in Lucies Rücken.
    Dreh dich um! Bitte!
    Mit einem Warnsignal fuhren die Türen zusammen. Der Zug setzte sich ruckartig in Bewegung. Klara drückte ihre Handfläche gegen die kalte Scheibe. Als sie an Lucie vorbeifuhr, versuchte sie, ihren Blick einzufangen. Aber Lucie hielt den Kopf zwischen den Schultern und marschierte zielstrebig auf die Rolltreppe zu. Bildete sie es sich ein, oder hob sie jetzt doch eine Hand? Klaras Stirn klebte am Glas, bis vom Bahnsteig nichts mehr zu sehen war.
    Als der Zug in die nächste Station einfuhr, hatte sie einen Entschluss gefasst. Sie sprang aus dem Wagon und überquerte den Bahnsteig zur U6. Kaum war sie eingestiegen schlossen sich die Türen.
    Egal, was der Wachmann sagen würde, diesmal ließ sie sich nicht abwimmeln. Sie musste zu Jonas.

    Es war derselbe Beamte, der schon das letzte Mal Dienst gehabt hatte. Klara erkannte ihn an seinem kantigen Gesicht und dem Ehering an seinem Finger. Der war ihr beim ersten Mal schon aufgefallen. Er konnte noch nicht lange verheiratet sein. So wie der glänzte.
    Vielleicht war er gut gelaunt. Oder er hatte Mitleid mit ihr. Klara musste jedenfalls kaum betteln. Sein Seufzen, mit dem er sich zum Stehen hochdrückte, klang auch nicht genervt, sondern schicksalsergeben. »Dann geh halt in Gottes Namen zu ihm rein. Aber ich lass die Tür offen und beobachte dich. Lass dir also nicht einfallen, irgendeinen Unsinn zu machen …«
    Klara machte einen kleinen Sprung und drückte kurz die breite, behaarte Hand. »Danke! Nein, natürlich nicht. Ich setz mich nur ein bisschen zu ihm … ich muss mit ihm reden …«
    Dann schlüpfte sie durch den Türspalt und blieb erst einmal stehen. Es war so schummrig. Sie brauchte einen Augenblick, bis sie sich an das gedämpfte Licht gewöhnt hatte. Jonas lag noch genauso da wie vor vier Tagen. Auf dem Rücken, die Hände schlaff neben dem Körper und an dem Zeigefinger die Sonde, die seinen Herzschlag auf das Gerät übertrug, das hinter seinem Kopfende mit gleichmäßigem Piepen eine hellgrüne Zickzacklinie auf den Bildschirm zeichnete.
    Zögernd setzte sie einen Fuß vor den anderen, bis sie das kalte Metall des Bettgestells an ihrem Oberschenkel spürte. Sie ließ ihn nicht aus den Augen. Als hätte sie Angst, er könnte verschwinden, wenn sie kurz nicht hinsah. Vorsichtig setzte sie sich an den Bettrand. Ihre Finger tasteten nach seiner Hand. Seine Haut fühlte sich kühl an und ein bisschen feucht.
    »Jonas? Hörst du mich?«
    Sie strich mit den Fingerkuppen über seinen Handrücken. So genau hatte sie ihn noch nie angesehen. Die feinen Härchen auf dem Unterarm. Hellblond und weich wie bei einem Baby. Sein Handgelenk war nicht so breit wie das von Alen.
    Klara erschrak. Merkte er, dass sie ihn mit einem anderen verglich, während sie ihn streichelte?
    Sie seufzte und setzte sich gerade auf, ohne seine Hand loszulassen. »Jonas, warum kannst du nicht aufwachen und mit mir reden? Ich könnte deinen Rat gebrauchen.« Das harte Bettgestell drückte gegen ihr Bein. Sie suchte nach einer bequemeren Stellung, ließ es aber gleich wieder bleiben, weil sie fürchtete, einen der Schläuche und Drähte zu verschieben, mit denen Jonas verkabelt war.
    »Du hast ja keine Ahnung, was sich abgespielt hat, seit du hier in deinen Dornröschenschlaf gefallen bist.« Sie kicherte nervös und schämte sich gleichzeitig. Scherze waren eigentlich nicht angebracht, angesichts der Lage, in der Jonas sich befand.
    »Ich weiß nicht, was ich machen soll. Und ich frag mich, ob du mir dabei überhaupt helfen könntest – selbst wenn du nicht so stumm daliegen würdest.«
    Sie ließ seine Hand los und fuhr sich durch die Haare. Was machte sie hier eigentlich? War sie wirklich gekommen, um Jonas von ihren Seelenqualen vorzujammern? Ausgerechnet Jonas?
    »Verzeih mir! Ich bin so eine Idiotin! Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist … aber ich hab zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl, nicht mehr Herr über mein eigenes Leben zu sein.«
    Sie betrachtete sein schmales Gesicht. Seine Haare standen wirr vom Kopf ab. In einem Impuls stand sie auf und frisierte ihn mit den Fingern. Sie hockte sich zu ihm und legte ihre Wange neben seinen Kopf auf das kühle Leintuch. Ganz nah hatte sie sein Profil vor ihren Augen. Der Mund war leicht geöffnet. Sie sah den Schlauch nicht,

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