Infiziert
Stoff abblätterte. Perry spürte die überströmende, ungezügelte Erregung, als die Dreiecke in seinem Rücken, seinem Arm und an … an … an anderen Stellen sich zum ersten Mal gemeinsam in der Welt umsahen.
Er hatte keine Zeit, um sich zu duschen. Es musste genügen, wenn er sich schnell vor dem Waschbecken säuberte. Außerdem wollte er nicht in die Wanne sehen, um die dort treibenden Überreste jenes Schorfes wiederzufinden, mit dem der ganze Albtraum begonnen hatte.
Der letzte saubere Waschlappen nahm sofort eine rosa Farbe an, als er sich das Blut vom Körper rieb. Kleine Flocken trockenen Blutes fielen in den Wasserstrahl. Er drehte sich vom Becken weg, ließ den Waschlappen zu Boden fallen, griff nach einem Handtuch und fing an, sich abzutrocknen.
In diesem Augenblick fiel ihm seine Schulter auf.
Genauer gesagt, ihm fiel die verweste Stelle auf.
Das verrottete Stück befand sich unter den Pflastern. Hauchdünne grüne Fäden ragten unter den Rändern der Kunststoffstreifen hervor. Die kleinen weichen Haare sahen wie die letzten daunenartigen Strähnen aus, die auf dem
Kopf eines alten Mannes wachsen, bevor er endgültig eine Glatze bekommt.
Von hier war der merkwürdige Geruch gekommen: von seiner Schulter. Der modrige Geruch nach Verrottetem breitete sich im Bad aus. Die Pflaster saßen noch immer fest auf seiner Wunde, doch unter den Streifen erkannte er etwas anderes – etwas Schwarzes und Nasses und Grauenhaftes.
Die Pflaster mussten verschwinden. Er musste sehen, was sich darunter verbarg. Mit den Fingernägeln zupfte Perry ein kleines Eck eines der Pflaster frei, bis er fest mit Daumen und Zeigefinger zupacken konnte. Dann riss er die Pflaster ab.
Der Hautlappen darunter war schwarz; dicker, gummiartiger schwarzer Schleim rann seine Brust hinab. Der Schleim war zuerst heiß, doch als er seinen Bauch erreichte, bereits eiskalt. Der Geruch, dessen Intensität man am Tag zuvor nur hatte ahnen können, breitete sich jetzt ungehindert aus. Er war wie ein satanischer Dschinn, der aus der Flasche strömte und das Bad mit einer Wolke des Todes füllte.
Der tödliche Gestank drehte Perry augenblicklich den Magen um. Er spuckte Galle ins Waschbecken. Ein Teil davon vermischte sich mit dem Wasser, das aus dem Hahn strömte, und verschwand im Abfluss. Perry starrte die Wunde an, ohne sich die Mühe zu machen, das Erbrochene von seinem Mund und seinem Kinn zu wischen.
In der Wunde steckte noch mehr von diesem klebrigen Schleim. Er sah aus wie schwarzes Johannisbeergelee auf dem Boden eines halb leeren Glases. Das tote Dreieck war verwest. Das Grauen traf ihn wie ein Schuss in den Kopf, raubte ihm den Atem und beschleunigte seinen verzweifelten Herzschlag auf das Dreifache.
Die Konsistenz ähnelte einem verrotteten Kürbis einen
Monat nach Halloween – zähflüssig und sich zersetzend. Grüne Büschel desselben hauchdünnen Schimmelgewebes bedeckten sowohl die Wunde als auch das tote Dreieck. Schwarz schimmerndes, verwestes Gewebe klebte an den Schimmelfäden.
Das Beunruhigendste an seinem Bild im Spiegel? Er wusste nicht, ob das verweste Material von dem toten Dreieck stammte, das er mit der Gabel aufgespießt hatte. Ein Teil des grünen Schimmels schien direkt aus seiner Haut herauszuwachsen wie ein schleichender, kriechender Bote seines baldigen Todes.
Weil noch immer heißes Wasser aus dem Hahn strömte, beschlug der Spiegel langsam. Perry wischte ihn sauber – und sah sich von Angesicht zu Angesicht seinem Vater gegenüber.
Jacob Dawsey wirkte ausgemergelt und grau. Seine Augen waren tief in ihre Höhlen gesunken, und seine dünnen, lächelnden Lippen entblößten seine großen Zähne. Er sah aus wie in den Stunden, bevor Käpt’n Krebs ihn schließlich mit sich genommen hatte.
Perry blinzelte und rieb sich dann heftig die Augen, doch als er sie wieder öffnete, starrte ihn sein Vater immer noch an. Irgendwo in seinem Hinterkopf wusste Perry, dass er eine Halluzination hatte, doch dadurch wurde das Erlebnis nicht weniger real.
Sein Vater sprach.
»Du hast immer schon viel zu schnell aufgegeben, Junge«, sagte Jacob Dawsey, und seine Stimme besaß jenes tiefe Grollen, das sie immer hatte, kurz bevor er zuschlug. »Kaum gibt es ein Problem, schon wirfst du alles hin. Du widerst mich an.«
Perry fühlte heiße Tränen in seinen Augen. Er blinzelte sie weg. Ob Halluzination oder nicht, er würde nicht vor seinem Vater weinen.
»Geh weg, Daddy. Du bist tot.«
»Tot und noch immer mehr ein
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