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Infiziert

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Titel: Infiziert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Sigler
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nicht.

62
Spiel durch den Schmerz hindurch
    Durch die Nase einatmen, durch den Mund ausatmen. Ein letztes tiefes Luftholen.
    Konzentrier dich.
    Spiel durch den Schmerz hindurch.
    Perry hob die rechte Hand und senkte seine Finger tief in die Wunde. Er bemühte sich gar nicht erst, seine Schmerzensschreie unter Kontrolle zu halten. Er krümmte einfach nur die Finger und begann zu schaufeln. Während die Fingernägel heftig über das offene Fleisch kratzten, riss er die glitschige schwarze Leiche des Dreiecks aus seinem Körper. Der Schwanz bot einen kaum merklichen Widerstand, bevor er abbrach, denn aufgrund der Verwesung war seine Konsistenz kaum fester als eine Art Brei. Perry schleuderte
eine Handvoll Schleim ins Waschbecken, wo er im dampfenden Wasser auf den Rinnsalen seines Erbrochenen landete.
    Er grub noch zweimal, wobei er immer wieder aufschrie und so viel aus der Wunde herausriss, wie er nur konnte. Wieder strömte ihm Blut über die Brust; es rann seinen Schritt und die Innenseiten seiner Oberschenkel hinab und bildete kleine Pfützen auf dem Boden.
    Sein ganzes Denken war von Schmerz erfüllt, als spanne sich ein rostiger Stacheldraht straff um sein Gehirn, doch er wusste, dass er die Blutung stoppen musste. Er starrte auf die Wunde. Sie war inzwischen ein faustgroßes Loch. Ein simples Pflaster konnte da nichts mehr ausrichten.
    Er hob den blutigen Waschlappen vom Boden auf und hüpfte in die Küche. Er drückte den Stoff gegen die Wunde, presste ihn schmerzhaft in das Loch und versuchte, das herausströmende Blut einzudämmen. In der Schublade, in der er allerlei Krimskrams aufbewahrte, befand sich silbriges, breites und fest haftendes Klebeband. Er ließ die Wunde los, sodass er mit beiden Händen lange Streifen davon abreißen konnte, die er an die Kante der Küchentheke klebte.
    Wieder drückte er den Waschlappen tief in die klaffende, blutende Wunde. Er führte ein Stück Klebeband über den Stoff und drückte es auf seinem Rücken und seiner Brust fest. Das Ganze wiederholte er fünfmal, bis die Bänder schließlich eine Art Sternenregen bildeten, der von seiner Wunde ausging, sich über seine Schulter und seine Brust zog und schließlich seinen Torso hinab und unter seinem Arm hindurchreichte. In der Mayo-Klinik ging man zwar anders vor, aber wie Daddy immer sagte: Es erfüllte seinen Zweck.

    Bills Freunde konnten jeden Augenblick hier sein.
    Es war Zeit zu gehen.
    Er wischte sich mit einer Handvoll Papiertaschentücher das Blut ab, während er ins Schlafzimmer hüpfte. Hastig warf er einige Kleider in den Rucksack – zwei Jeans, drei T-Shirts, ein Sweatshirt und sämtliche sauberen Unterhosen und Socken, die er finden konnte.
    Eines seiner Beine war fast völlig nutzlos, und in seiner linken Schulter loderten die Schmerzen bei jeder Bewegung heftig auf, als er sich anzog. Jede Sekunde war eine Ewigkeit der Angst. Er rechnete damit, dass die Tür aufgebrochen und von einem dieser schweren Rammböcke zerschmettert wurde, die in Cops zu sehen waren, wenn die Polizei in irgendein weiteres Drecksloch von Haus eindrang. Dem Rammbock – auf den irgendein wahnsinnig witziger Idiot die Worte »klopf, klopf« geschrieben hätte – würden Schwachköpfe in biologischen Schutzanzügen folgen; jeder Zentimeter ihres Körpers wäre bedeckt, sodass sie nicht mit den Dreiecken in Kontakt kommen konnten. Sie würden die wirklich schweren Waffen im Anschlag halten und kaum noch in der Lage sein, den juckenden Finger am Abzug zu beherrschen.
    Er streifte ein schwarzes Oakland-Raiders-Sweatshirt über und kämpfte mit Socken und Wanderstiefeln, denn durch sein kaputtes Bein wurde die eigentlich simple Aufgabe ziemlich kompliziert.
    Perry wollte eine Waffe, irgendetwas, das er in Händen halten konnte, sodass er wie ein richtiger Dawsey im Kampf sterben würde. In der Küche warf er den gesamten Messerblock einschließlich der Geflügelschere in seinen Rucksack. Er griff nach seinen Schlüsseln und seiner Jacke. Auf Bill,
der immer noch mit leeren Augen auf den Teppichboden starrte, verschwendete er keinen einzigen Blick.
    Bill war schließlich so unhöflich, nicht aufzustehen und ihn zur Tür zu bringen.
    Perry trat aus der Wohnung. Nach den Soldaten Ausschau haltend, huschte sein Blick den Hausflur hinauf und hinab. Er sah niemanden. Ihm fiel ein, dass er die Landkarte in der Wohnung gelassen hatte, doch er brauchte sie nicht. Wenn er es schaffte, lebend aus Ann Arbor herauszukommen, wusste er genau, wohin er

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