Infiziert
keine dummen Fragen, Margaret. Natürlich geschieht genau das. Und, nein, ich habe keine Ahnung, wie das wohl aussehen mag. Im Augenblick ist es mir auch egal. Ich will duschen, bevor ich Murray Longworth gegenübertreten muss.«
Mag sein, Amos konnte seine Neugierde einfach abschalten, Margaret konnte das nicht. Oder genauer gesagt: Sie konnte ihre Angst nicht einfach abschalten.
Wenn dies hier wirklich das Larvenstadium war, was um alles in der Welt erwartete sie dann bei der ausgewachsenen Form?
22
Nicht warten, ausschwärmen
Perry saß zusammengesunken auf seiner Couch, ein Newcastle Brown Ale in der einen und die Fernbedienung in der anderen Hand. Er zappte sich durch das Programm, ohne wirklich etwas zu sehen.
Er kannte die blaugrüne Stoffcouch, seit er ein kleines Kind war, als sein Vater sie von der Heilsarmee mitgebracht hatte, um seine Mutter damit zu überraschen. Damals war die Couch in ziemlich guter Verfassung gewesen, wenn man bedachte, dass sie aus zweiter Hand stammte, aber das war jetzt fünfzehn Jahre her. Nach dem Tod seiner Mutter war
die Couch – neben etwas Geschirr und Besteck, von denen kein Stück zum anderen passte – das Einzige, was er aus dem alten Haus mitgenommen hatte. Soweit er wusste, stand das Haus immer noch an jener unbefestigten Straße in Cheboygan und löste sich langsam in seine Einzelteile auf. Während Perrys Kindheit waren Dads unablässige Heimwerkeraktionen der einzige Grund dafür, warum es nicht in sich zusammenfiel. Perry wusste, dass niemand Interesse an dieser Bruchbude hatte. Entweder rottete sie im Augenblick noch immer vor sich hin oder jemand hatte sie inzwischen untergepflügt.
Er besaß die Couch jetzt schon seit mehreren Jahren. Sie war erst in seinem Zimmer im College gestanden und danach in seiner Wohnung. Nach so langer Zeit passte sie so perfekt zu den Konturen seines mächtigen Körpers, als sei sie eine Spezialanfertigung. Doch selbst die Erinnerungen an die Couch, das Bier und die Fernbedienung schafften es nicht, die Düsternis zu vertreiben, die ihm von der Arbeit bis nach Hause gefolgt war. Er war vorzeitig nach Hause geschickt worden. Nach Hause geschickt, weil er herumgeschrien hatte wie ein undisziplinierter, fauler Arbeiter. Das allein hätte schon genügt, um seine Stimmung zu drücken, doch auch die Großartigen Sieben weigerten sich zu verschwinden.
Und sie juckten nicht mehr. Sie taten weh.
Es war nicht nur so, dass der dicke, krustenartige Schorf unablässig hämmerte. Da war noch etwas anderes, etwas, das in die Tiefe reichte. Irgendetwas in seinem Körper verriet ihm, dass ihm die Dinge völlig aus der Hand glitten.
Perry hatte sich immer gefragt, ob Krebspatienten wussten, dass etwas auf entsetzliche Weise nicht stimmte. Natürlich
taten die Leute immer überrascht, wenn ihnen der Arzt mit diesem Sie-haben-noch-soundso-lange-zu-leben-Scheiß kam, und einige waren wahrscheinlich auch wirklich ein wenig überrascht. Aber viele Leute litten unter Schmerzen, von denen sie wussten, dass sie nicht natürlich sein konnten. Wie sein Vater.
Sein Vater hatte es gewusst. Obwohl er nie zu irgendjemandem ein Wort gesagt hatte, wurde er immer schweigsamer, immer ernster und immer wütender. Und obwohl es Perry erst gelungen war, die einzelnen Puzzleteilchen zusammenzusetzen, als sein Vater in die Klinik kam, hatte der alte Mann es gewusst.
Und jetzt wusste es Perry. Er hatte ein seltsames Gefühl im Bauch. Es war kein Instinkt und keine Intuition, überhaupt nichts dergleichen, sondern ein federleichtes Gefühl, von dem ihm übel wurde. Zum ersten Mal seit der Ausschlag am Montagmorgen aufgetreten war, fragte sich Perry, ob das Ganze … tödlich sein konnte.
Er stand auf und ging ins Bad. Dort zog er sein Hemd aus und starrte seinen einst so straffen Körper an. Offensichtlich machte ihm der Schlafmangel zu schaffen, und schuld an diesem Schlafmangel war sein Zustand. Zustand war das richtige Wort, denn er hatte das Gefühl, dass etwas wirklich nicht stimmte mit ihm. Er sah mitleiderregend aus. Da er sich immer den Kopf rieb, wenn er nervös wurde, stand sein Haar wirr in alle Richtungen ab. Seine Haut wirkte bleicher als normal, selbst für einen Jungen mit deutscher Herkunft, der sich durch den Winter Michigans schleppte. Die dunklen Flecken unter seinen Augen waren eindeutig unattraktiv.
Er sah … krank aus.
Noch ein Detail fiel ihm auf, auch wenn er sich fragte,
ob es nur in seiner Fantasie existierte. Seine Muskeln zeichneten
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