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Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit (German Edition)

Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit (German Edition)

Titel: Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Gleichauf
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hinein. In diesen einfachen Liedern ist die Rede vom Frühling, von Liebe und Abschiedsschmerz. Aber nie wird man Zeuge großer Liebes- und Abschiedsdramen, immer hat man den Eindruck, es sei eben so leise und zart, wie es sich anhört, Liebe und Liebesleid gehören zum Leben wie Frühling und Herbst. Keine dramatischen Gefühlsäußerungen, nichts Herzzerreißendes, eine leise Sehnsucht, eine kleine Traurigkeit, Freude an den Jahreszeiten, den Festen im Dorf, ein Zwiegespräch mit sich, keineswegs harmlos, aber eben auch nicht zerstörerisch. Als singe das Leben selbst vor sich hin. Hier in der Liebe zu diesen neapolitanischen Liedern zeigt sich Ingeborg ohne die Bachmann, offenbart sich auch ihre Sehnsucht nach dem unspektakulär Alltäglichen.
    Ihre Begeisterung für verschiedene musikalische Richtungen kann Bachmann mit Frisch nicht teilen. Er ist kein Musikfachmann, kein leidenschaftlicher Musikhörer, auch wenn es ihm nicht an Musikalität fehlt. Frisch ist ein Schriftsteller mit sehr viel Gespür für Musikalisches, vor allem für Rhythmisches. Sieht Ingeborg Bachmann den musikalischen Poeten in Frisch überhaupt nicht? Schon in seinen frühen, für die NZZ geschriebenen Artikeln, gibt es berückende Bilder poetischer Musikalität. Nicht umsonst kannte Frisch Gedichte Bachmanns, bevor er sie selbst kennenlernte.
    Und vielleicht erkennen sie einander ja doch, an der verborgenen Musik. Vielleicht gibt es Momente des Innehaltens, des Einander-Hörens, Momente, in denen der Rhythmus stimmt. Ahnungen, Mutmaßungen, mehr nicht. Dass dies Leben in Rom sich in einer mondänen Wohnung eingerichtet hat zwischen Theatralik und Poesie, zwischen dem Aufwachen im eigenen Erbrochenen und dem Dasitzen auf dem Balkon mit nichts als einer großen Sehnsucht im Inneren. Zwischen eifersüchtigem Furor und dem leisen Wissen, geliebt zu werden. Zwischen diven- und dandyhaften Auftritten und dem Ablegen dieser Masken. Zwischen der großen Oper und dem neapolitanischen Volkslied.
    So erscheint es möglich, dass Ingeborg Bachmann und Max Frisch einander am Ton erkennen, der in ihren Texten hörbar wird, an der eingeschriebenen Musik, an der Begabung zum Lyrischen. Bei Bachmann steht im Vordergrund die Beschwörung, die Stimme, bei Frisch ist es das Beschworene, das heraustritt aus dem Dunkel: Dinge, Natur, eine Stadt. Diese Art von Gleichklang könnte in dieser Liebesgeschichte ihren Platz haben. Es ist nichts, was in der Öffentlichkeit sichtbar wird. Es gehört in die Intimität der beiden Personen und wirkt doch nach außen, über ihre Texte.
    Draußen, in den Straßen Roms, spielt sich eine Seite des Lebens von Bachmann und Frisch ab. Dort sind sie das glänzende Paar. Auf Spaziergängen durch Rom hat Frisch eine Diva der Dichtkunst neben sich, die ihre Divenrolle voll ausspielt. Und er, Frisch, spielt etwas weniger perfekt die Rolle ihres Begleiters. Während Bachmann die Diva eben auch wirklich ist, ist Frischs Rolle eine spielerische. Er probiert sich aus. So wie er im Theater die Proben viel lieber mag als die endgültige Aufführung, so liebt er das Experiment Max Frisch und nicht einen endgültigen durchinszenierten Menschen Frisch.
    Sie kreisen um einander, im Leben und in der Arbeit. Sie dramatisieren, sie spielen ihre Rollen. Sie streiten, verletzen einander, trumpfen auf mit gewaltigem Pathos, mit großartigen Worten und Gesten. Beide inszenieren sich in verschiedene Rollen hinein, sind ihre eigenen Regisseure in selbst erfundenen Stücken, die sich schließlich als erschütternd real enthüllen. Und sie träumen davon, sich zu begegnen wie in einem Gedicht, Worte zu sprechen, die vergessen machen, was die Stunde geschlagen hat. Könnte das Zusammenleben nicht sein wie in einem italienischen Volkslied, ungestört durch das Draußen, fernab der großen Welt, in sich ruhend und geborgen? Wenn man nicht wäre, wie man nun einmal ist, innerlich zerrissen, gespalten in Gefühl und Verstand, ein Wesen, das immer auf der Suche ist, nie findet, immer sich sehnt nach der Ferne, nie ankommt für immer. Man bleibt gekettet an die Bühne, die die Welt ist, und niemand entkommt den Rollen, die das Leben selbst anzubieten hat. Und es macht ja auch Freude, dies Spiel, solange man es einigermaßen durchschaut und Herr ist über die Maskeraden seines Ichs. Angreifbar ist man in den Momenten der Schwäche. Dann nämlich kann es sein, dass man einander fast zum Mörder wird.

Rom 1961
    Am Horizont gewinnt eine Möglichkeit immer deutlicher

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