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Ingrid

Ingrid

Titel: Ingrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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die Gardine ein Stückchen beiseite, als wolle jemand hinausschauen. Ich habe kein Gesicht gesehen, es war auf der rechten Seite, man kann nicht richtig hingucken, aber ich habe genau gesehen, dass die Gardine aufgehalten wurde.«
    »Und die beiden saßen die ganze Zeit beim Essen?«
    »Ja, ganz sicher.«
    »Vielleicht die Putzfrau?« Ich spähte durch das Fernglas. Es war keine Putzfrau zu sehen, und außerdem war Mittagessenszeit, keine Uhrzeit für eine Putzfrau. Ingrid, von dem ehebrecherischen Paar in einem Gästezimmer eingesperrt? Man konnte sich alles Mögliche ausdenken und dabei verrückt werden. »Komm, Nel«, sagte ich.
    Nel stand auf. »Ich habe inzwischen auch die Nase voll.«
    »Wir essen jetzt zu Mittag und dann unternehmen wir was.«
    Sie schaute mich an. »Wir sind noch nie zusammen in Urlaub gewesen, weißt du das?«
    »Stimmt.«
    »Ist es so wie das hier oder romantischer?«
    »Was ist denn los, Nel?«
    Sie schaute mich an und schüttelte den Kopf, als wüsste sie es selbst nicht. Ich musste wieder an meinen Traum denken, in dem sie behauptet hatte, achtundvierzig Jahre alt zu sein. Das war sie bei weitem nicht, aber sie war dabei, sich zu verändern.
    Es konnte auch an mir liegen. Vielleicht projizierte ich meine eigenen Empfindungen auf sie, meine eigene Ruhelosigkeit, die größeren Probleme mit dem Alleinesein, die Tatsache, dass ich mich in Nel verliebt hatte. Möglicherweise erwachten diese Dinge in mir zum Leben, weil ich zum ersten Mal ein eigenes Haus besaß, einen Ort, an dem ich Wurzeln schlagen konnte, ein Symbol der Beständigkeit.
    Ich küsste sie auf den Mund. »Alles wird gut«, versprach ich wagemutig.
    Sie kicherte. »Und Arbeit adelt.«
    Ich küsste sie noch einmal und nahm sie fest in den Arm, hoch über dem Mittelmeer, inmitten der Düfte von Oleander und Wa cholder, Tannen und Rosmarin, schwer in der Junihitze.

18
     
     
    Amrita öffnete die Tür. »j Hola!«, sagte sie.
    »Do you speak English?«
    »Yes.« Sie schaute Nel an und runzelte die Stirn. »Sind Sie Niederländer?«
    »Ach, Sie sprechen Niederländisch«, sagte Nel. Natürlich sprach sie Niederländisch, dachte ich, sonst hätte Peter am Telefon Englisch oder Spanisch mit ihr geredet.
    »Ich war mal mit einem Niederländer verheiratet«, erklärte Amrita.
    Sie hatte einen hübschen spanischen Akzent. Sie trug eine weiße Hose, eine lange schwarze Bluse aus transparentem Stoff, die ihre Arme und Schultern freiließ, und dazu silberne Ohrringe. Ihr spanisches Gesicht war in Wirklichkeit noch hübscher als auf dem Foto.
    Nel strahlte vergnügt. »Also haben Sie auch in den Niederlanden gewohnt?« Reden und am Reden bleiben, gratis Informationen sammeln, solange noch keine Namen gefallen sind und noch kein Misstrauen aufgekommen ist. Nel dachte da genauso wie ich.
    »Ja, ich habe bei der spanischen Botschaft gearbeitet. In Den Haag, eine schöne Stadt.«
    »Aber hier ist das Klima angenehmer«, sagte Nel. »Leider sind die Häuser inzwischen unbezahlbar. Wohnen Sie schon lange hier?«
    Sie lächelte. »Seid ihr auf der Suche nach einem Haus?«
    »Nein«, sagte ich. »Wir sind auf der Suche nach Ingrid Brack.«
    Amritas Haltung veränderte sich schlagartig. »Kenne ich nicht. Hier sind Sie an der falschen Adresse.« Sie wollte die Tür schließen, doch ich stellte meinen Fuß dazwischen.
    »Sie hat einen kleinen Jungen bei sich«, sagte CyberNel.
    Amrita schüttelte den Kopf und drückte gegen die Tür. »Aber ihr Mann ist doch hier«, sagte ich. »Peter Brack?«
    »Peter!«
    Hinter ihr führte eine Treppe nach unten. Peter musste dort schon gestanden haben, ich nahm sofort eine Bewegung wahr und hörte seine Schritte auf den gefliesten Stufen. Amrita trat beiseite.
    »Was soll das? Max! Was machst du denn hier?«
    »Ich bin auf der Suche nach Ingrid. Und nach Tommy.«
    Er wurde aschfahl. »Wie bist du hinter diese Adresse gekommen?«
    »Spielt das eine Rolle?«
    »Soll ich die Polizei rufen?«, fragte Amrita.
    »Ja, das würde ich an Ihrer Stelle ganz bestimmt tun«, sagte Nel.
    Peter schüttelte den Kopf und zeigte die Treppe hinunter. »Nein, nein, geh du nur, ich regele das schon.«
    Amrita eilte die Treppe hinunter.
    »Dürfen wir kurz reinkommen?«, fragte Nel.
    »Ich wüsste nicht, warum. Ich genieße hier meinen Urlaub und habe keine Lust, ihn mir verderben zu lassen.« Sein graues Michael-Douglas-Gesicht sah hässlich aus.
    »Und Amrita?«
    »Was soll das heißen? Woher weißt du ihren Namen?«
    »Sie ist

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