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Ingrid

Ingrid

Titel: Ingrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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die Macht, über ihr Schicksal zu entscheiden. »Du hast doch gehört, was sie auf meinem Geburtstag gesagt hat.«
    Natürlich erinnerte ich mich an das Gespräch, genauso, wie ich mich an die merkwürdige Aura der Schicksalhaftigkeit und Unausweichlichkeit erinnerte, die Jennifer umgeben hatte, als habe sie mit etwas Schlimmem gerechnet. »Es spielt keine große Rolle, ob ich bei irgendetwas dabei war oder nicht«, sagte ich zurückhaltend. »Bestimmt hat Jennifer Angehörige, und ihr Sohn hat einen Vater, der vielleicht auch etwas dazu sagen möchte, wenn er ausfindig gemacht worden ist.«
    Ingrid ließ enttäuscht die Schultern sinken, doch Peter nickte zustimmend und hob die Hand. »Genau deswegen sind wir hier.«
    »Ich kann dir nicht folgen.«
    »Du bist doch Privatdetektiv, oder?«, fragte Ingrid ein wenig schnippisch.
    Ich runzelte die Stirn. »Woher weißt du das?«
    »Wir bezahlen dich für die Zeit, die du investierst, schließlich verdienst du damit deine Brötchen«, sagte Peter, bevor seine Frau antworten konnte. »Nachforschungen, nicht war?« Er lachte.
    Ich versuchte, ihn ein bisschen zu bremsen. »Die Polizei kann Tommys Vater schneller aufspüren als ich. Wahrscheinlich meldet sich der Mann von selbst, wenn er in der Zeitung liest, was passiert ist.«
    »Oder auch nicht«, warf Ingrid ein. »Vielleicht hält er sich lieber raus, vielleicht kann er kein Kind gebrauchen, zum Beispiel, wenn er verheiratet ist und selbst eine Familie hat. Vielleicht ist er froh, wenn er ihn los ist.«
    Ich schaute sie verwundert an. »Ja, das kann alles sein. Hat Jennifer nie etwas über Tommys Vater erzählt?«
    Ingrid zögerte. »Nur, dass er nicht gerade ein Idiot war.«
    »Aha. Dann wird er schon auftauchen. Oder die Polizei findet ihn. Oder das Jugendamt.«
    »Aber wir müssen auch herausfinden, ob sie Angehörige hatte«, sagte Ingrid. »Die Polizei hat noch niemanden aufgespürt.«
    »Woher weiß du das?«
    »Ich habe den Brigadier gefragt. Sie konnten noch niemanden ermitteln. Oder sie wollen es nicht sagen.«
    Peter klopfte mit seiner Pfeife auf den Aschenbecher und stand auf. »Du weißt, wie du vorgehen musst, und als ehemaliger Polizist kannst du besser mit der Polizei umgehen als wir. Sag einfach, was du für deine Arbeit bekommst, okay? Oder hast du zu viel zu tun?«
    »Nein, daran liegt es nicht, ich frage mich nur …«
    Ingrid erhob sich. »Ich muss los, die Putzfrau geht gleich nach Hause.« Ihr Selbstvertrauen kehrte zurück und sie lächelte mich verführerisch an. Ich dachte daran, wie sie schon einmal hier in der Küche gestanden hatte, nur mit meinem Bademantel bekleidet, damals, als alles noch spontan schien und an unbekümmerte Sechzigerjahre-Unschuld erinnerte. Irgendetwas hatte sich verändert, ich wusste nicht genau, was es war, nur, dass es noch an etwas anderem lag als an dem Ehemann, den sie aus dem Hut gezaubert hatte und der jetzt neben ihr stand. »Max, bitte lass uns nicht im Stich«, bat sie.
    Ich versprach es, ohne rechte Überzeugung.
    Ich begleitete sie hinaus auf die Terrasse. Es war ein herrlicher Nachmittag, die Sonne schien. Die Junihitze flirrte über den Obstplantagen und in den hohen Pappeln.
    Ich wollte gerade hineingehen, als ich hastige Schritte über die Pflastersteine der Einfahrt zurückkommen hörte. Peter. Er blieb vor der Terrasse stehen, einen halben Meter unterhalb von mir. Er hielt die Pfeife noch in der Hand und hatte Flecken im Gesicht. »Max …«
    »Hallo, Peter. Hast du was vergessen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, wollte dir nur noch kurz sagen, so unter Männern …« Seine Nasenflügel bebten. Ich begriff, worauf er hinaus wollte, und ich genierte mich für ihn, ein Gefühl, das mich öfter überkommt, wenn Leute sich in der Öffentlichkeit lächerlich machen.
    »Ingrid muss selber wissen, was sie tut«, brachte er schließlich hervor. »Sie kann machen, was sie will, ich habe kein Problem damit.« Er biss die Zähne zusammen, und seine Stimme klang gezwungen, als er fortfuhr: »Allerdings solltest du vielleicht ein bisschen daran denken, wenn sie dich bittet, ihr dabei zu helfen, dieses Kind zu adoptieren.«
    Ich schaute ihn erstaunt an. Erpressung war wirklich das Letzte, womit ich gerechnet hatte.
    Seine Hände zitterten, als er seine Pfeife wieder in die Brusttasche steckte. Sein immer röter werdendes Gesicht ließ ahnen, dass er durchaus zu hitzigen Wutanfällen im Stande war. »Das ist mein voller Ernst«, fügte er in einem Ton hinzu, der

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