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Ingrid

Ingrid

Titel: Ingrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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zu dem schweigenden Spa und begann mit einer Zusammenfassung, wie es auch mein Partner Bart Simons und ich in Amsterdam zu tun pflegten. »Kaum zwei Wochen nachdem Sie hierher gezogen sind, wird Ihre Nachbarin ermordet. Sie haben kein Alibi und geben nur widersprüchliche Aussagen zu Protokoll, voller Ausflüchte und mit Anfällen von Gedächtnisverlust. Meiner Meinung nach würde ein Staatsanwalt zu dem Schluss kommen, dass Sie ein anderes Verhältnis zu Jennifer van Maurik hatten, als Sie behaupten, und dass Sie nicht ausschließlich wegen der Ruhe auf dem Land hierher gezogen sind!«
    Ich konnte mir kaum vorstellen, dass Ingrid den Vorfall mit Bokhof auf der Party unerwähnt gelassen hatte. Aber vielleicht wusste sie gar nicht, in welchem Maße Bokhof seine Mieterin belästigt hatte. Jennifer hatte behauptet, sie habe nie mit Ingrid darüber geredet. Vielleicht hatte Ingrid davor zurückgeschreckt, einen Mordverdacht auf ihren Nachbarn zu lenken. Ich dagegen verspürte kaum das Bedürfnis, Bokhof zu schützen, vor allem nach seinem lächerlichen Versuch, mir den Mund zu stopfen. In Amsterdam hatten wir in der Regel zuerst das Offensichtliche ausgeschlossen und uns erst danach mit dem Obskuren und Rätselhaften befasst. Bokhof war nun einmal der Verdächtigste von uns allen, aber ihn zu diesem Zeitpunkt ins Spiel zu bringen, hätte wie ein Ablenkungsmanöver ausgesehen.
    »Es ist mir etwas peinlich«, sagte ich und wandte mich dabei an Marcus Kemming. »Schließlich wohne ich erst seit kurzem hier …«
    Doch Bea Rekké ließ sich nicht übergehen und fragte gehässig: »Aha, die Liebe auf den ersten Blick ist wohl ins Gegenteil umgeschlagen?«
    Mit einem Ruck drehte ich mich zu ihr. »Könnten Sie mich vielleicht mal zwei Minuten lang ausreden lassen?«
    Ihre Augen blitzten, doch sie verschränkte mit verkniffenen Lippen die Arme vor der Brust.
    Ich wartete einige Augenblicke lang und fuhr dann fort: »Wie gesagt, ich wohne erst seit kurzem hier und habe die meisten Nachbarn bisher nur einmal getroffen, nämlich auf dieser Party. Nun äußere ich nicht gerne Vermutungen über Leute, die ich nicht kenne, und außerdem sind das nicht meine Ermittlungen.« Ich warf der Rekké einen flüchtigen Blick zu und schaute Kemming an. »Hat Ingrid Brack etwas über Harm Bokhof erzählt, den Vermieter des Heuschobers?«
    »Nein.«
    Die Polizei würde ohnehin von anderen Partygästen von dem Vorfall erfahren. »Auf der Party wurde Jennifer von Bokhof belästigt. Bokhof stürmte wutschnaubend davon, und ich habe Jennifer anschließend nach Hause gebracht. Sie hatte Angst, dass der Mann ihr in ihrem Haus auflauern würde. Als Vermieter hat er einen Schlüssel. Um sie zu beruhigen, bin ich zuerst hineingegangen. Ich habe die Lichter eingeschaltet und, während Jennifer unten wartete, auch die Schlafzimmer kontrolliert. Daher stammen meine Fingerabdrücke.«
    »Sehr ritterlich«, giftete Rekké enttäuscht.
    »Es ist mir egal, wie Sie das finden«, antwortete ich. »Mich als Verdächtigen zu behandeln, ist wirklich ein Witz, und es wird vollends lächerlich, wenn Sie sich zu lange damit aufhalten und kostbare Zeit verschwenden. Nach Ablauf von vierundzwanzig Stunden wird das Aufspüren des Täters eine wirklich mühselige und unangenehme Angelegenheit, das wissen Sie genauso gut wie ich.«
    Kemming steckte sein Notizbuch weg und sagte zur Rekké: »Ich glaube, wir sind hier fertig.«
    Bea Rekké schaute mich an und sagte: »Sie bleiben so lange auf unserer Liste, wie wir es für nötig halten.«
    »Wie Sie wollen«, antwortete ich langmütig. »Ich hoffe, und zwar vor allem für Sie, dass Sie hierüber irgendwann einmal lachen können.«
    Wieder liefen ihre Wangen unter dem leichten Flaum rot an. Sie konnte froh sein, dass sie blond war und nicht rabenschwarz wie eine italienische Matrone, sonst hätte sie ihren Damenbart mit schmerzhaften Foltermethoden bekämpfen müssen. Wenn man jemanden nicht leiden kann, macht man sich gern über solche Dinge lustig. Es war kindisch und noch nicht einmal gerechtfertigt, denn sie war wahrhaftig nicht hässlich. Unter dem Kostüm verbarg sich eine gute Figur und sie hatte schöne Beine. Ein weicherer Lippenstiftton und ein oder zwei freundliche Gedanken hätten ihr Gesicht nicht nur hübsch, sondern sogar sympathisch machen können.
    An der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Vielleicht vergeht Ihnen das Lachen, wenn wir zurückkommen, weil Ihre Aussage wieder von vorne bis hinten nicht

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