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Ingrid

Ingrid

Titel: Ingrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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seltsamen Augen. »Okay«, sagte er. »Mach, was du für richtig hältst.«
    Ich nickte amüsiert. »Wie dem auch sei: Der Auftrag für Kunde Nummer eins ist erledigt. Den Vater habe ich gefunden.«
    »Dieses Ehepaar …«, begann Niessen. »Sag lieber erst Ja oder Nein.«
    Ich dachte nach. Ich wollte den Fall gern haben. Meine Nachbarin war ermordet worden, und das ging mir zu Herzen. Ich hätte mich auch ohne Bezahlung weiterhin damit beschäftigt, aber mit Bezahlung war natürlich besser, und wenn ich mir dadurch nur eine Gardinenpredigt von CyberNel ersparte.
    Niessen sah meinen Gesichtsausdruck und tastete nach seiner Brieftasche. »Hast du einen Standardvertrag? Oder genügen eine Anzahlung und eine Quittung?«
    Es klappte anscheinend immer noch nicht richtig mit uns. »Mein Wort allein reicht schon«, erwiderte ich pikiert.
    »Ja, natürlich.« Es klang, als täte es ihm Leid, aber er zog trotzdem mit einer entschuldigenden Geste seine Brieftasche heraus, entnahm ein Scheckheft und schrieb einen Scheck über tausend Euro aus. »So habe ich aber ein besseres Gefühl«, sagte er als Erklärung.
    Ich zuckte mit den Schultern und steckte den Scheck ein. »Dann erklär mir jetzt mal, wo dein Problem liegt.«
    »Wie bitte?« Einen Moment lang war er verwirrt. »Ach so, du meinst meine Beziehung zu Jennifer. Ich habe keine Angst vor einem Disziplinarverfahren, wir sind hier nicht in Amerika und auch nicht mehr im Mittelalter. Wenn ich vor Gericht mein Bedauern darüber äußere, erteilt man mir höchstens einen Verweis. Ich habe sie ja nicht vergewaltigt oder so, es war eine von zwei Erwachsenen erwünschte Beziehung. Natürlich weiß ich, dass sie von mir abhängig war und das Ganze wie Machtmissbrauch aussieht …«
    »Wofür man dir garantiert eins aufs Dach gibt.«
    »Ja, aber ich schwöre dir, ich habe meine Position nicht ausgenutzt!«
    Er schwieg plötzlich, als er sich der Stille am Nachbartisch bewusst wurde. Die drei Männer saßen mit den Gläsern in der Hand da und taten, als hörten sie überhaupt nicht zu.
    Ich beugte mich hinüber zu Niessen. »Worin liegt dann das Problem?«
    »Die Sache darf nicht publik werden!«, flüsterte er. »Louise weiß nichts von Jennifer. Ihr werde ich die Geschichte eines Tages schon noch beichten, aber der alte Vredeling ist ein tief religiöser, konservativer Tugendbold, und wenn der etwas von Sex mit einer Mandantin und einem unehelichen Kind erfährt, stehe ich morgen auf der Straße!«
    »Sieh an. Noch ein Mordmotiv. Hat dich Jennifer damit erpresst?«
    Er sah sich ängstlich um. Die Männer neben uns hatten ihr Gespräch wieder aufgenommen, und der Lärmpegel in der Kneipe stieg. Es war nach fünf Uhr, die Büros machten Feierabend, und die Leute tranken noch einen, bevor sie nach Hause gingen. Am Tisch hinter uns saß eine bunte Gesellschaft, die unter viel Gekicher und Geschrei ein anstehendes Jubiläum organisierte. »Vielleicht sollten wir das woanders besprechen«, sagte Niessen. »Ich bin zum Abendessen verabredet, aber ich könnte um halb elf heute Abend. Ist das zu spät? Ich möchte das wirklich gerne hinter mich bringen.«
    Von meinem Handy aus rief ich CyberNel an. Sie war damit einverstanden, dass ich ihre Wohnung als Amsterdamer Außenstelle meines Büros betrachtete.
    Ich parkte den BMW auf einem freien Platz am Ende der Gasse und nahm meine Pistole aus dem Handschuhfach.
    »Meinst du, du brauchst sie?«, fragte CyberNel.
    »Ich habe eine Narbe als Beweis dafür, dass der Kerl unberechenbar ist. Der dreht durch, wenn er mich sieht. Deshalb nimmst du am besten meine Beretta mit, dann kannst du ihn damit einschüchtern.«
    Ich wollte Nel die Pistole geben, doch sie kramte in ihrer Handtasche auf der Rückbank herum. Metall glänzte im matten Licht der Straßenlaternen.
    Ich runzelte die Stirn, als ich die kleine Pistole sah. Soweit ich wusste, hatte Nel keine Waffe mehr angefasst, seit sie den Dienst bei der Polizei quittiert hatte. Vielleicht hatte sie ihre Meinung geändert, nachdem man sie krankenhausreif geschlagen hatte und sie bei ihrer Heimkehr feststellen musste, dass nach einer Explosion nichts mehr von ihrem Dachgeschoss übrig geblieben war. Ich sagte nichts.
    »Das ist eine konfiszierte Jennings 22, ich habe sie von einem befreundeten Brigadier«, behauptete Nel. »Klein, aber fein.«
    Die Jennings war so ungefähr die wirkungsloseste Handfeuerwaffe, die es auf dem amerikanischen Markt gab. Sie wurde auch »Bauchpistole« genannt, weil sie

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