Ingrid
Hände auf seinen Schreibtisch und beugte mich zu ihm hinüber. »Heute Morgen wurde mir auf einmal klar, warum nur du es sein konntest.«
»Du hast keinerlei Beweise«, erwiderte er matt.
Es war ein müder, verzweifelter Versuch.
»Du hast mir gegenüber praktisch selbst zugegeben, dass du Jennifer ermordet hast«, sagte ich.
Damit war es heraus.
Er ließ das Wort eine Weile auf sich einwirken, sank in seinem Stuhl ein wenig seitlich zusammen und rief wütend: »Weil ich eine Bemerkung darüber gemacht habe, was du mit Ingrid angestellt hast?«
Seine Augen funkelten vor Befriedigung, als er merkte, dass er mich damit einen Moment aus der Fassung brachte, nicht zuletzt durch seine Wortwahl, die mich an meine Kinderjahre und Lehrerstandpauken erinnerte. Ich holte tief Luft, schüttelte den Kopf und sagte: »Nein, Peter. Das war ein Fehler, den ich mehr bereue, als dir jemals klar sein wird. Dass du mich damit auch noch zu erpressen versuchtest, war höchstens ärgerlich und absolut überflüssig. Und verdächtig. Versuch jetzt nicht, mich schon wieder abzulenken. Nein, es geht um etwas, das du gestern gesagt hast.«
Er erstarrte. »Was denn?«
»Dass Tommy nichts von dem Mord mitbekommen hat, weil die Tür seines Zimmers abgeschlossen war. Woher wusstest du das?«
Er versuchte, möglichst rasch seinen Schrecken zu überspielen: »Das hat mir wohl irgendjemand erzählt, du selbst vielleicht, Ingrid, oder die Polizei.«
»Niemand hat dir das erzählt, denn es gibt nur zwei Menschen, die es wissen können. Der eine bin ich. Der andere ist der Mörder.«
Peter starrte eine Minute lang schweigend auf die Platte seines Schreibtischs. Dann schlug er die Hände vor das Gesicht, sodass ich sein Flüstern kaum verstehen konnte: »Ich dachte, wenn sie ein Kind hätte … Sie war so verrückt nach Tommy.«
»Wusste Ingrid davon? Hat sie dir geholfen?«
Er schaute mich an. »Du bist wohl nicht ganz bei Trost.«
Ich griff nach dem Telefon. Alles verlief genau nach Plan. Ich hätte den Mistkerl am liebsten zusammengeschlagen, aber Jennifer war tot, und Peter fing an zu heulen.
Als wäre es eine reguläre Verhaftung durch Zivilbeamte, klappte der Rest völlig reibungslos. Peter war zahm wie ein Lamm. Ich blieb dicht neben ihm, als wir aus dem Haus gingen, aber ich brauchte mir keine Sorgen zu machen, er wagte keinen Fluchtversuch. Ingrid kam zu uns gerannt.
»Es ist vorbei, ich gehe zur Polizei«, sagte Peter.
Ingrid wurde leichenblass, ich hatte Angst, sie würde ohnmächtig werden, und streckte schon die Hand nach ihr aus, doch sie blieb schwankend stehen. Sie schaute mit offenem Mund zu Peter und setzte zu einem Protest an.
Doch Peter fiel ihr sofort ins Wort. Er klang nüchtern und sachlich, als regele er ein paar Dinge für eine bevorstehende Reise. »Du sagst gar nichts, lass mich nur machen. Es spielt keine Rolle. Ich habe mich erkundigt, du behältst Tommy, das ist kein Problem. Wenn einer der beiden Adoptiveltern dazu in der Lage ist, das Kind zu ernähren und zu versorgen, braucht die Adoption nicht rückgängig gemacht zu werden. Du musst höchstens beim Bezirksrichter eine Bereitschaftserklärung unterzeichnen.«
Ich dachte bei mir, dass es vielleicht durchaus einen Unterschied machte, wenn einer der Adoptiveltern den Mord an der Mutter als Mittel gewählt hatte, um das Kind adoptieren zu können, aber ich sagte nichts.
Ingrid blieb auf der Terrasse stehen, die Arme schlaff am Körper herunterhängend, als Peter und ich den Deich erklommen und ohne Eile zu meinem Auto gingen. Tommy war nirgends zu sehen.
Ich sagte zu Peter, dass er vom Präsidium aus einen Anwalt benachrichtigen könne, doch er schüttelte den Kopf. »Das kann ich auch später noch.«
Kriminalbrigadier Marcus Kemming reagierte ziemlich zurückhaltend, aber nicht sonderlich überrascht, als ich ihm den Täter auf einem Silbertablett präsentierte. Er ließ Peter von einem Kollegen in ein Vernehmungszimmer bringen und blieb mit mir auf dem Flur stehen. »Ein Geständnis will noch nicht viel heißen.«
»Brack wird dir verraten, wo ihr die Mordwaffe finden könnt. Wenn seine Fingerabdrücke darauf sind, bist du doch schon ein gutes Stück weiter.«
Das musste er zugeben. »Wie hast du ihn soweit gekriegt?«
»Er hat ein paar grobe Fehler gemacht.«
»Ja, die unterlaufen Straftätern, Gott sei Dank«, sagte er.
Ich nickte. »Er stellt sich, in der Hoffnung, dass ihm das positiv angerechnet wird, na ja.«
Er schaute mich unter
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