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Ingrid

Ingrid

Titel: Ingrid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix Thijssen
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richtig verstanden habe, wurde der Verkauf bereits im Mai beschlossen. Das war noch lange bevor es notwendig wurde, Tommy vor bösen Erinnerungen zu schützen.«
    Er verzog kurz den Mund. »Na und? Ich habe schon seit einer Weile vor, umzuziehen.« Er hatte seine Pfeife gestopft und steckte sie ein wenig herausfordernd in den Mund.
    »Ebenso wie du schon vor langer Zeit einen Roman über einen Mann geschrieben hast, der eine junge Mutter ermordet, um seiner Frau ein Kind zu beschaffen?«
    Er nahm die Pfeife aus dem Mund und legte sie auf den Schreibtisch. »Ich weiß nicht, was du meinst«, sagte er heiser.
    »Manche stecken den Kopf in den Sand«, sagte ich, »und tun so, als wüssten sie gar nicht, worum es geht. Andere kommen mit wilden Ausflüchten. Wieder andere versuchen, einen auf eine falsche Fährte zu locken oder schreien nach ihrem Anwalt. Anitas Prinz. Da denkt man doch: Wer liest das schon? Und außerdem: Welcher Depp wäre so dumm, sein Verbrechen vorher in Buchform anzukündigen?«
    »Na also.«
    »Nichts na also! Du hast es schon geschrieben, bevor sich die Gelegenheit ergab, oder bevor dir eingefallen ist, dass das im Grunde gar keine so schlechte Idee war, so ist das, quod scripsi, scripsi. Und in der Tat: Wer liest schon so was? Die Frau des Polizeipräsidenten? Aber im Nachhinein hättest du die Veröffentlichung des Buches doch sicher gerne ungeschehen gemacht oder es aus dem Handel genommen?«
    Peter ballte die Hände auf dem Schreibtisch zu Fäusten und sagte wütend: »Hältst du mich für blöd oder was?«
    »Nein«, antwortete ich. »Im Gegenteil, ich halte dich für ziemlich intelligent. Deshalb kann ich es ja nicht verstehen.«
    Er schnaubte vor Wut. Die Tränensäcke unter seinen Augen wirkten noch dicker, sein Gesicht noch grauer, und das hatte nichts mehr mit dem gedämpften Licht zu tun. Er hing ein bisschen schief auf dem Stuhl, als versuche er, sich hinter seinem Computer zu verstecken.
    Ich war an der richtigen Adresse, daran zweifelte ich kaum noch. Ich verschränkte die Arme und lehnte mich weit im Stuhl zurück. »Ingrid hat mich gebeten, noch ein paar Tage den Mund zu halten.«
    Mit einem Ruck setzte Peter sich wieder aufrecht hin. »Was?«
    »Keinen Staub aufzuwirbeln, bevor euch der Richter nicht die offizielle Vormundschaft übertragen hat, also während der nächsten paar Tage.«
    »Ingrid ist …« Seine Stimme zitterte. Er wandte den Blick ab.
    »Du wusstest, dass ich nahe dran war. Du brauchtest nur noch ein paar Tage, um die Vormundschaft zu kriegen.
    Deshalb hast du deinen Chef um Hilfe gebeten, wie heißt er noch gleich, Meiling? Um mich für eine Weile aus dem Verkehr zu ziehen. Du wusstest doch verdammt genau, dass einige dieser GmbHs nur Deckmäntelchen für krumme Geschäfte mit den Russen sind! Verdienst du auch am Schmuggeln von Illegalen?«
    »Illegale? Ich weiß wirklich nicht, wovon du redest!« Peter wirkte aufrichtig empört, aber er war inzwischen dermaßen nervös, dass es schwierig war, echte von gespielten Reaktionen zu unterscheiden.
    »Zu deinem Pech ist die Firma Calluna nicht darauf eingerichtet, Menschen gefangen zu halten«, sagte ich. »Das kommt natürlich daher, dass die Gäste sich dort normalerweise freiwillig aufhalten.«
    Er starrte mich an, nicht im Stande, etwas zu erwidern, aber ich erkannte, dass ich in puncto Calluna den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. »Du konntest nicht ahnen, dass ich den Namen lesen würde, aber war das nicht ein bisschen sehr kurzsichtig von dir, Peter?«
    Ich sah, wie er in sich zusammensank und sich dann wieder aufrichtete, wie ein Boxer, der sich immer mühsamer aufrappelt, bis er sich in der letzten Runde k.o. schlagen lässt. Stockend fragte er: »Hast du mit Meiling geredet?«
    »Das übernimmt schon die Polizei.« Plötzlich kam mir eine Idee. »Hattest du vor, sobald die Adoptionspapiere ausgestellt waren, mit Ingrid und dem Kind zu flüchten?« Ich wies mit einer Kopfbewegung hinauf zur Zimmerdecke. »Sind die Koffer schon gepackt?«
    »Blödsinn«, sagte er.
    »War darum schon alles geregelt, auch mit dem Makler? Wohin sollte denn die Reise gehen? Irgendwo ins Ausland?«
    Er wandte das Gesicht ab, biss sich auf die Lippen und trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch.
    »Wenn du dich nicht gemuckst hättest, wäre nichts passiert. Aber jetzt kriegst du’s mit mir zu tun. Du warst zwar in Amsterdam, das stimmt, aber in einer Nacht hin- und herzufahren ist gar kein Problem.« Ich legte meine

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