Ingrid
»Aber ich meine es ernst«, bevor ich wusste, wie mir geschah.
Sie nickte an meiner Schulter und hob dann ihr Gesicht. »Das ist doch jetzt nur so eine Anwandlung«, flüsterte sie. »Du bist ein Romantiker. Nachher verliebst du dich wieder in jemanden, und was dann? Ich will, dass du mein Freund bleibst.«
»Aber das bleibe ich doch auch«, sagte ich.
13
Es blieb ein hektischer Tag für jemanden, der sich vorgenommen hatte, sich an das langweilige Landleben zu gewöhnen. Es gelang mir, eines der Steaks, die Nel und ich beim Metzger gekauft hatten, auf meinem Ceranfeld schön braun zu braten und ich trug es auf die Terrasse, begleitet von der üblichen geschnittenen Tomate, ein paar Salatblättern und einem knusprigen Brötchen. Ich wollte gerade einen Bordeaux dazu öffnen, als jemand sagte: »Warte noch einen Moment, bevor du die Flasche aufmachst.«
Ich drehte mich um. Bea Rekké trug wahrhaftig ein hübsches Kleid und hatte ein fröhliches Grinsen auf dem Gesicht. Außerdem hielt sie eine Flasche Champagner hoch.
»Sieh mal an.« Ich versuchte, meine Ironie zu zügeln.
»Mein Dienst ist zu Ende und ich dachte mir: Die hier bin ich dir noch schuldig.«
Sogar der stahlharte Lippenstift war verschwunden; ihr Mund hatte die Farbe provençalischer Dachziegel. Man sah es ihrem Gesicht an, dass sie endlich freundlichere Gedanken und bessere Absichten hegte, aber ihre einigermaßen forsche und brüske Art blieb ihr natürlich eigen. »Das ging aber schnell.«
Sie hatte sich ihre Erklärung schon zurechtgelegt. »Ich komme gerade von einer Abschlussbesprechung der Soko hier in Geldermalsen. Jetzt bin auf dem Weg zurück nach Tiel, und da ich vorläufig nicht mehr in die Gegend komme, dachte ich mir, ich erledige das jetzt sofort. Ein Geschäft hatte noch auf.«
Forsch eben. »Ich bin froh, dass ich nicht mehr zu den Verdächtigen gehöre«, sagte ich.
»Hast du nie wirklich.«
»Na, dann solltest du vielleicht zum Film gehen.«
Ihr Lächeln wirkte ein klein wenig unaufrichtig. »Ich würde gern ein Gläschen mit dir trinken, wenn es dir recht ist«, sagte sie.
Ich holte Gläser und öffnete den Champagner. Mein Steak wurde unterdessen kalt. »Auf das gute Ende«, sagte sie. »Es gibt nichts besseres als einen abgeschlossenen Fall.«
Ich hätte ihr zwar ein paar Dinge nennen können, die noch besser waren, freute mich aber immerhin darüber, dass sie, was mich betraf, zur Besinnung gekommen war und hob mein Glas: »Auf eine schöne Zukunft.«
Wir tranken und schauten uns über die Gläser hinweg in die Augen. »Ich könnte dir ein Steak dazu braten«, schlug ich vor.
Sie verzog das Gesicht, ob in einem Ausdruck des Bedauerns, konnte ich nicht feststellen. »In Tiel gibt es ein sehr gutes chinesisches Restaurant, da gehe ich heute Abend mit meinem Mann Pekingente essen. Er hat in letzter Zeit wenig von mir gehabt und hat deshalb sicher nichts dagegen, wenn ich mir vorher schon mal ein Gläschen Champagner genehmigt habe.«
Ich fragte mich, weshalb sie gekommen war. Um ihre Aufstiegschancen zu verbessern? Zum Minenräumen? Um keine unnötigen Feinde zu hinterlassen? Um für die Zukunft vorzusorgen, nach dem Motto: Man weiß ja nie? Vielleicht war ich zu misstrauisch, und Bea Rekké kam völlig spontan und ohne Berechnung, um ihre Schulden zu bezahlen.
»Vielleicht sehen wir uns ja nochmal irgendwo«, meinte ich. »Vielen Dank für den Champagner.« Ich lächelte und fügte in einem Anflug von Versöhnlichkeit hinzu: »Du hast mich angenehm überrascht.«
Sie stellte ihr Glas hin und reichte mir die Hand. »Es tut mir Leid, dass dein Steak kalt geworden ist. Hundertprozentig klappt es wohl einfach nie. Dazu gehört auch, dass der Fall zwar gelöst ist, mir es aber lieber gewesen wäre, ich hätte den Täter überführt.«
Sie grinste mit offenbar ziemlich gemischten Gefühlen und verließ die Terrasse.
Ein lautes hohles Klopfen schallte durch das Haus.
Ich stand gerade hinter meinem grauen Sofa, zappte durch die Nachrichtensender im Fernsehen und ließ vor Schreck die Fernbedienung auf die Polster fallen, weil mir nicht sofort klar war, wo der Lärm herkam und was er bedeutete. Nach einer Weile begriff ich, dass zum ersten Mal, seit ich hier wohnte, jemand den Klopfer an meiner Eingangstür auf der Deichseite betätigte.
Ich hob die Fernbedienung wieder auf, schaltete den Fernseher aus und ging die Stufen zur vorderen Eingangstür hinauf.
In der Tür befand sich weder ein Spion noch eine
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