Ingrid
Scheibe. Die Riegel saßen bombenfest. Die Möbelpacker hatten sie mit dem Hammer auf- und wieder zuschlagen müssen. Den Hammer hatten sie mitgenommen. Ich schaute mich nach einem Schuh oder irgendeinem anderen Werkzeug um.
Wieder ging das Klopfen los, ziemlich fordernd. Ich schlug mit einer Faust auf den Riegel und rief: »Wer ist da? Können Sie nicht hinten rum gehen?«
Ich ging ins Gästezimmer, dessen Fenster zur Deichseite hin lagen. Ein dunkelgrüner, nagelneuer Lancia stand am Straßenrand gegenüber meiner Eingangstür. Ich schob das Fenster ein Stück weit nach oben und streckte den Kopf hinaus. Eine Frau drehte auf das Geräusch hin den Kopf zur Seite, die Hand am Türklopfer.
»Meneer Winter. Geht Ihre Tür nicht auf?«
Ich erkannte die Korkenzieherlocken und die klassischen Gesichtszüge wieder. »Sie sind nur nicht mit den Sitten auf dem Land vertraut«, antwortete ich, den Kopf schief unter die Scheibe geklemmt. »Gehen Sie einfach hinten herum, und Ihr Auto sollten Sie besser unten auf der Einfahrt parken.« Ich zog den Kopf zurück und schloss das Fenster.
Ich wartete auf der Terrasse, als sie den Lancia rückwärts die Einfahrt hinunter rangierte und vor meinem Carport abstellte. Lange Beine in Nylons, mittelhohe Absätze, ein cremefarbenes Kostüm aus hochwertigem Leinen mit wadenlangem Rock. Sie stand aufrecht da, schloss die Autotür ab, kam auf mich zu und streckte mir die Hand entgegen. »Ich bin Louise Vredeling, wir sind uns ganz kurz im Büro meines Verlobten begegnet.«
»Ich erinnere mich.«
»Ich hoffe, dass Sie mir vielleicht dabei helfen können, die Adresse der Dame herauszubekommen, bei der sich Tommy aufhält.«
»Tommy?«, fragte ich ziemlich dämlich.
»Der Sohn meines Verlobten«, antwortete sie geduldig. »Thomas wollte mir die Adresse nicht geben.«
»Warum nicht.«
»Das geht nur uns beide etwas an. Sie wohnt doch hier in der Nähe?«
»Noch ist Ihr Verlobter mein Klient«, erwiderte ich zurückhaltend.
Louise nickte zum Zeichen, dass sie verstand. Sie wirkte kühl, beherrscht. Sie stand zur Abendsonne gewandt, und das späte Licht wärmte sich an dem cremefarbenen Leinen. Durch den zarten Anflug von Sommersprossen unter ihren blauen Augen und auf ihrem Nasenrücken erhielt ihr perfektes Gesicht einen Hauch von Verletzlichkeit und menschlicher Unvollkommenheit.
»Thomas hat mir alles erzählt«, sagte sie.
»Vielleicht sollte ich ihn kurz anrufen?«
»Lieber nicht. Er weiß nicht, dass ich hier bin.« Sie legte eine Pause ein und sagte dann: »Es ist meine eigene Entscheidung.«
»Was?«
»Wie meinen Sie?«
»Was ist Ihre eigene Entscheidung?«
Sie wandte sich um eine Vierteldrehung von mir ab, als fiele es ihr leichter, die richtigen Worte zu finden, wenn sie die Pappeln anschaute anstatt mich. »Das, was mit Tommy geschehen soll.« Sie wies mit einem Kopfnicken auf die Hecke. Das Dach des Heuschobers ragte ein kleines Stück darüber hinaus. »Hat sie dort gewohnt? Jennifer Kramer?«
»Ja.«
Sie wandte sich wieder mir zu. »Wie war sie?«
»Sie war ein guter Mensch, warmherzig, eine tapfere Frau. Die allerbeste Mutter für Tommy.«
Louise hob eine zierlich geschwungene Augenbraue.
Noch immer stieg Wut in mir auf, wenn ich an Jenny dachte und an die unnötige und sinnlose Vergeudung ihres Lebens. »Ich meine es so, wie ich sage. Jennifer und Tommy hatten Besseres Verdient als einen Angsthasen, der sich ausschließlich Sorgen um seinen guten Ruf und seine Karriere macht.«
Sie lachte leise. »Thomas erweckt manchmal den Eindruck, ein egoistischer, kleingeistiger Mann zu sein«, gab sie zu. »Aber ich liebe ihn und ich werde ihn heiraten, weil er auch noch andere Seiten hat und noch viel dazulernen kann. Ich habe Jennifer nie kennen gelernt, und für sie können wir nichts mehr tun. Doch ich glaube, sie wäre damit einverstanden, dass wir für ihren Sohn sorgen.«
»Wir?«
»Ja, Thomas und ich. Er ist ganz und gar damit einverstanden.«
Ich lächelte. Zweifellos hatte sie die Hosen an. »Und was meinen Sie damit, dass Sie für Tommy sorgen wollen?«
»Wenn Sie Thomas duzen, können Sie zu mir auch ruhig du sagen. Schließlich heiraten wir demnächst.«
»Und dann?«
Sie schaute mir geradewegs in die Augen. Ihre Entschlossenheit und ihre Willensstärke waren förmlich greifbar. »Du glaubst doch nicht etwa, dass ich es zulasse, dass der Sohn meines Mannes von einer Wahnsinnigen großgezogen wird?«
»Ingrid?«
»Eine Frau, die es zulässt, dass
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