Inkarnationen 01 - Reiter auf dem schwarzen Pferd - V3
Lefzen, rülpste und humpelte zu ihrem kostbaren Ei
hinüber, um es in Sicherheit zu bringen.
Vorsichtig nahm sie es mit dem Maul auf, hauchte es mit einem wohldosierten Feuerstrahl an, um
die Schale an einer Stelle aufzuweichen, dann legte sie es auf ihren Rücken.
Schließlich breitete sie die Flügel aus, rannte über den Sand wie über eine Startbahn, dem Wind
entgegen, gewann an Geschwindigkeit und hob ab. Schon bald wurde sie zu einem immer kleiner
werdenden Fleck am Himmel.
Zane schritt über den Sand zu dem Anführer der Drachenkultanhänger, der dreinblickte, als hätte
er ein Wunder gesehen. »Sind Sie jetzt zufrieden? Dann lassen Sie die Jungfrau frei.«
Der Mann nickte. »Habt ihr das gesehen?« fragte er verzückt.
»Plötzlich war da ein Lamm! Das muß ein Akt Gottes gewesen sein!«
»Der Jungfrau bleibt ihr Schicksal jetzt erspart«, beharrte Zane.
»O ja«, meinte der Mann zerstreut. »Wir bringen sie in unsere Basisstadt im Süden von Nevada,
nach Las Vegas, und kaufen ihr dort einen Teppichflugschein für die Heimreise. Darauf haben Sie
mein Wort.«
Auf das Wort dieses engagierten, hingebungsvollen Mannes war gewiß Verlaß. Zane wandte sich an
die Jungfrau. »Wenn du wieder zu Hause bist, dann schlage ich vor, daß du...«
»O ja, Sir!« rief sie. »Ich werde sofort den Jungen von nebenan heiraten!«
Gut so. Dann würde sie wenigstens nicht mehr als potentielles Drachenfutter herumlaufen. Sie
hatte ihren Job erledigt.
Sein eigener dagegen begann jetzt erst. Zane schritt zu Luna, nahm sie beim Arm und führte sie zu
seinem Pferd. Mortis war einfach verschwunden und nun, da er gebraucht wurde, sofort wieder
erschienen. Luna wirkte benommen. »Ich habe mich versengt, bin zermalmt worden...«, sagte sie und
legte ihre freie Hand an die Stelle, wo ihre Wunden gewesen waren.
Also konnte sie sich noch erinnern! »Die Zeit... ich meine Chronos, eine weitere Inkarnation...
hat dein Opfer rückgängig gemacht. Du bist verschont geblieben, weil ich mich geweigert habe,
deine Seele zu nehmen.«
»Aber du hättest gar nicht herbeigerufen werden dürfen!« protestierte sie. »Meine Sünden
überwiegen meine guten Taten doch erheblich! Ich hätte eigentlich sofort in die Hölle
gemußt!«
»Das haben wir alle geglaubt«, stimmte er ihr zu. »Aber du hast Gutes getan, nämlich durch die
Weise, wie du deinen Tod ausgesucht hast, ohne auf Belohnung zu hoffen. Deine Seele ist jetzt im
Gleichgewicht, was die anderen Inkarnationen im voraus wußten, und deshalb bist du meine
unmittelbare Klientin. Dennoch hättest du normalerweise dein Leben verloren, weil Satan betrogen
hat, aber ich bin in Streik gegangen. Bevor dein Fall endgültig entschieden ist, wird niemand
mehr sterben.«
Dann fügte er hinzu: »Ich schätze, du wirst jetzt eine Weile dein normales Leben weiterführen
können, gewissermaßen auf Kaution entlassen, bis diese Geschichte mit Satan geklärt ist.«
»Mein normales Leben!« rief sie ungläubig.
»Na ja, immerhin kann ich dich nach Hause bringen, wo du unter der Bewachung deiner Greife und
des Mondfalters in Sicherheit bist.«
Sie lächelte sarkastisch. »Ich hoffe, du weißt, was du da tust, Zane, denn ich bin mir im
Augenblick gar nicht sicher, was hier Realität ist und was nicht. Ich hatte eigentlich erwartet,
tot zu sein.«
»Ich stelle nur ein Unrecht gerade«, erwiderte er. »Satan hat gegen dich intrigiert, und ich habe
vor, ihn auflaufen zu lassen. Das wäre ohnehin recht gehandelt, selbst wenn man mich nicht wie
eine Marionette in diese Situation manövriert hätte, ja selbst wenn ich dich nicht lieben
würde.«
»Ich glaube eigentlich nicht, daß ich es wirklich wert bin, tot oder lebendig«, murmelte sie, als
sie Mortis erreichten.
»Wert, gerettet zu werden, oder wert, geliebt zu werden?«
»Beides. So wichtig bin ich einfach nicht. Ich weiß, daß ich Satan kaum Paroli bieten könnte, ja
nicht einmal einem seiner Dämonen.« Sie erschauerte bei dieser Erinnerung. »Und ich bezweifle,
daß Liebe...«
Mortis sprang an den Himmel empor. »Deine Zweifel machen überhaupt nichts«, sagte Zane. »Deine
Seele bleibt erst einmal auf der Erde.«
Mit unsicherer Bewegung umarmte sie ihn von hinten, ohne noch etwas zu sagen. Er brachte sie nach
Hause und ließ sie unter der Ermahnung zurück, nur im Haus zu bleiben und zu schlafen. Er würde
häufig vorbeikommen, um nach ihr zu sehen.
»Und jetzt nach Hause, Mortis«, sagte er, plötzlich sehr müde geworden. Wieder
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