Inkarnationen 01 - Reiter auf dem schwarzen Pferd - V3
jeder von uns heute erleiden muß, sind nur ein Kinderspiel gegen das, was uns
in einer Generation widerfahren würde, wenn der Herr des Bösen siegen sollte. Wir opfern das
Heute zugunsten des Danach. Ich weiß, wovon ich rede.«
»Aber Sie haben mich benutzt und Luna auch!« schrie Zarte voller Schmerz. »Wo bleibt denn
da Ihre Moral?«
»Es ist unsere Aufgabe, Menschen zu benutzen«, erwiderte die Schicksalsgöttin. »Haben Sie selbst
etwa gezögert, Ihre Macht einzusetzen, um das Los Ihrer Klienten zu verändern?«
Da hatte sie ihn natürlich am wunden Punkt gepackt, denn aus eben diesem Grund steckte Zane ja
auch in Schwierigkeiten.
Heilig, Heilig, Heilig!
»Und nun, in der Stunde der Krise, benutzen wir selbst uns gegenseitig«, fuhr die
Schicksalsgöttin fort. »Wir haben es Ihnen ermöglicht, die gesamte Welt zu retten, indem Sie das
Leben der Frau, die Sie lieben, retten. Sie waren bereit, sich uns zu widersetzen, obwohl Sie
unsere Macht kannten, als wir Sie gerade eben geprüft haben. Nun können Sie uns unterstützen, was
auch zu Ihrem eigenen Vorteil sein wird.«
Das stimmte natürlich. Sie hatten ihn in eine unausweichliche Lage manövriert. Hätte die
Schicksalsgöttin nicht in sein Leben eingegriffen, so hätte er sich wahrscheinlich erschossen
und...
Nein, natürlich hatte sie auch den Grund für seinen Selbstmord geliefert, indem sie ihm
seine Liebschaft mit Angelica verweigerte... oder hatte sie die etwa auch in die Wege geleitet?
Wie weit führte diese Sache eigentlich zurück? Hätte man ihn sich selbst überlassen, so hätte er
in dem Laden wahrscheinlich nur die Edelsteine angeschaut, sich keinen von ihnen leisten können
und wäre danach in seine frühere trostlose Existenz zurückgekehrt. Dann würde er in diesem
Augenblick versuchen, seine Miete zusammenzukratzen, indem er pornographische Fotos
nichtsahnender Frauen verkaufte. Statt dessen hatte man ihn in ein phantastisches neues Reich des
Todes und der Liebe befördert...
Die Natur lächelte. »Mars hat das Grundprinzip des Kampfs zwischen Gott und Satan erkannt«, sagte
sie. »Chronos hat die Schlüsselepisode im voraus ausgemacht. Ich habe die Qualitäten der Person
definiert, die tun könnte und tun würde, was getan werden mußte, und die Schicksalsgöttin hat
dafür gesorgt, daß sie... du... in die entsprechende Situation gelangen konnte. Wir haben
zusammengearbeitet und in dein Leben eingegriffen, als du den Todesstein betrachtetest, und nun
liegt die Angelegenheit in deinen Händen. Wir können diesen Kampf nicht führen, wenn du nicht
damit einverstanden bist.«
»Aber ihr habt mir nichts davon gesagt!«
»Hätten wir offen darüber gesprochen, so hätte Satan davon erfahren«, erinnerte ihn die Norne.
»Dann hätte er eingegriffen, um diese Begegnung zu verhindern, so wie er versucht hat, Luna vor
ihrer Zeit auszuschalten. Der Herr des Bösen kennt keine zivilisierten Grenzen; es geht ihm nur
um seinen eigenen Machtzuwachs, und seine Raffiniertheit und seine Macht sind gewaltig. Doch nun
ist es geschehen, und selbst er kann die Sache nicht mehr rückgängig machen, wenngleich er uns im
Augenblick sicher zuhört. Die Zeit der Geheimnistuerei ist vorbei.«
» Was ist geschehen?« wollte Zane wütend wissen. »Ich habe Lunas Leben nicht gerettet, ich
habe mich lediglich geweigert, ihre Seele zu nehmen.«
»Wirst du denn jetzt etwa ihre Seele holen, wenn Satan dich darum bittet?« fragte die Natur mit
heimtückischem Lächeln.
»Nein! Und auch nicht, wenn du mich darum bitten solltest, Grüne Mutter! Ich liebe Luna;
es ist mir egal, mit welchen Machenschaften ihr anderen diese Sache arrangiert habt oder wen ich
vielleicht sonst geliebt hätte oder wen sie sonst vielleicht geliebt hätte; ich werde sie jedenfalls nicht verraten.«
»Wir dachten uns, daß du so empfinden würdest«, sagte die Natur. »Wir haben dir nie Böses
gewollt, Thanatos; wir wollten immer deinen Erfolg. Wir bedauern zutiefst, daß wir ein Komplott
gegen deinen Vorgänger schmieden mußten, der ein anständiger Amtsinhaber war - doch er hätte
nicht gezögert, Luna zu holen. Dazu wußte er zu genau, was es bedeutet, den Status quo in Frage
zu stellen, und er hätte niemals versucht, wider Gott oder Satan zu handeln. Wir brauchten einen
beharrlichen, gefühlsbetonten Tod, neu genug und jung genug, um nicht von der Erfahrung
niedergedrückt zu werden, und lebendig genug, um auf eine attraktive und intelligente junge Frau
zu
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