Inkarnationen 01 - Reiter auf dem schwarzen Pferd - V3
gleichzusetzen. Sind Sie sicher, daß Sie sich dabei nicht etwas vormachen?«
Was hatte der Teufel doch für eine silberne Zunge! Er war verbindlich und nett und stellte seinen
Standpunkt in positiven Begriffen dar. Es fiel schwer, seinem Charme zu widerstehen.
Zane hatte irgendwie mit einer finster dreinblickenden, rauchigen Horrormaske gerechnet, die
wüste Drohungen ausstoßen würde. Und doch war das Böse, so erinnerte er sich selbst, immer
dasselbe, unabhängig davon, welches Bild es von sich projezierte.
»Ich weiß, daß sie von einem Ihrer Dämonen vergewaltigt wurde«, sagte Zane. »Ich weiß, daß diese
Vergewaltigung seelischer Art war, nicht körperlicher. Ich weiß, daß sie dadurch ihre Seele
schwer mit Sünde beladen hat. Aber ich weiß auch, daß sie es getan hat, um Magie zu erlernen, mit
der sie ihrem Vater helfen wollte. Es mag sein, daß sie sehr viele Sünden auf ihrem Konto hat,
aber als Person ist sie gut.«
»Ganz zweifellos, und sehr intelligent geantwortet«, sagte Satan, als spräche er mit einem
besonders aufgeweckten Studenten. Er tätschelte den Sukkubus auf den nackten Po, worauf die
Dämonin von der Bildfläche verschwand.
»Kaum etwas ist so löblich wie das Aufopfern der eigenen Seele, der eigenen unsterblichen Seele,
zum Wohle eines anderen, wie immer man dieses Wohl auch definieren mag. Daran gemessen, sind Sie
selbst ein viel besserer Mensch, als dies aus Ihrer Akte hervorgeht. Luna ist gewiß ein seltenes
Wesen.«
»Warum jagen Sie sie dann?« wollte Zane wissen, obwohl die Frage eher rhetorischer Natur war; er
wußte die Antwort und hatte sie Satan bereits vorgeworfen. Doch er mußte irgend etwas sagen, um
der Welle der Dankbarkeit zu widerstehen, die nun drohte, seine Standfestigkeit zu unterspülen.
Satan hatte ihm - und Luna! - für etwas gratuliert, das ein grundlegender Bestandteil von Zanes
Selbstachtung war. Satan hatte Zanes Behandlung seiner Mutter gerechtfertigt. Wieviel leichter es
doch gewesen wäre, gegen ein wildes Ungeheuer anzukämpfen!
Satan lachte wieder und klang wie der angenehmste aller Begleiter. »Meine liebe Inkarnation, ich
befasse mich nicht mit dem Guten. Das Böse ist mein Revier! Es ist meine ewige Aufgabe, das Böse
im Menschen zu definieren und zu bestrafen. Sie werden mir doch darin zustimmen, daß dies eine
notwendige Pflicht ist?«
»Ja, aber...«
»Es gibt enorm viel Böses in der Welt«, fuhr die weltmännische Gestalt eindringlich fort. »Würde
man es sich selbst überlassen, so würde das Böse schon bald die gesamte Gesellschaft
korrumpieren, genau wie Milch, die sauer wird. Es muß diszipliniert werden, die Bösewichter
müssen bestraft werden, und sie müssen wissen, daß Bestrafung unvermeidlich ist und in direktem
Zusammenhang mit ihren Missetaten steht. Tatsächlich muß die ganze Gesellschaft über die
Konsequenzen des bösen Tuns aufgeklärt werden. Nur so kann die Menschheit als Ganzes zu einer
Besserung gelangen.«
Das war wirklich ein überzeugender Gedankengang! »Aber Luna ist, wie Sie selbst zugeben, nicht
von Grund auf böse! Warum sollte sie da bestraft werden?«
»Aber mein lieber Kollege«, sagte Satan mit einem weiteren warmherzigen und toleranten Lächeln,
wie es vielleicht ein gütiger Vater seinem aufgeweckten, aber irregeleiteten Kind gegönnt hätte.
»Wir sind uns doch darin einig, daß sie nicht böse ist, und natürlich soll sie auch nicht
bestraft werden! Sie soll direkt in den Himmel kommen, wo sie auch hingehört, dagegen werden Sie
doch wohl bestimmt nichts haben!«
»In den Himmel?« fragte Zane verständnislos. »Sie sind einverstanden, daß...?«
»Ich will nur, was mir zusteht. Luna gehört Gott.«
Zane kämpfte um seinen geistigen Halt. »Aber sie ist doch noch gar nicht an der Reihe! Warum soll
sie da früher sterben müssen?« Wieder drängte er Satan dazu, die Wahrheit zu gestehen. Ob er es
tun würde?
»Wenn ein Mensch vorzeitig gehen muß, damit hundert andere eine gerechte Behandlung bekommen...
würden Sie dann dem einen Recht antun und den hundert Unrecht?«
»Hm, nein, aber...«
»Tod, ich habe die Zukunft der Menschheit einigermaßen gründlich untersucht. Ich verstehe
Tendenzen, die für sterbliche Geister vielleicht viel zu unterschwellig sind. Natürlich nicht für
Ihren Geist; Sie sind eine Person mit scharfer Beobachtungsgabe. Doch es würde Sie nur
langweilen, wenn ich Ihnen alle Einzelheiten berichtete. Zusammengefaßt sieht es so aus, daß ich
in
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