Inkarnationen 01 - Reiter auf dem schwarzen Pferd - V3
gänzlich aus der Welt geräumt.
Dennoch würde der Tod Luna nicht holen. Er hatte eigentlich nichts zu verlieren, solange er nur
im Amt blieb.
Und genau das war der Kernpunkt. Wenn er seine Position verlieren sollte... und doch wurmte ihn
noch immer Satans Bemerkung über den Mann, der für die Liebe nicht seine Seele aufs Spiel setzen
würde, und sein Gewissen tat das übrige: Er sollte sich die andere Seite wenigstens einmal
anhören.
»Ich werde mich mit der Schicksalsgöttin beraten.«
»Ich bringe sie her«, sagte Satan. Da erschien die Göttin auf dem Fernsehschirm, diesmal in ihrem
jungen Aspekt als Clotho.
»Nein«, widersprach Zane. »Das könnte auch Ihr Dämon sein, der sie nur imitiert. Ich bestehe auf
einer persönlichen Begegnung.«
»Wie Sie wünschen«, sagte die Schicksalsgöttin. Lächelnd trat sie aus dem Fernsehschirm und stand
vor ihm. »Die Wesen der Hölle, die sich auf der Erde manifestieren können, können zwar jede
körperliche Gestalt annehmen, aber das gilt nicht für die geistige Form.« Sie zog einen hellen
Faden zwischen ihren Händen in die Länge. »Und nur eine Inkarnation kann eine andere Inkarnation
nachahmen. Dies hier ist Ihr Faden, Tod; sehen Sie, ich kann Sie damit in Bewegung
bringen.«
Sie knickte den Faden ein - und plötzlich saß Zane auf dem Fußboden. Dann zog sie ihn wieder
gerade und er fand sich im Sessel wieder. »Ich kann ihn lang spinnen oder kurz, glatt oder
pelzig, dick oder dünn. Als Lachesis kann ich ihn bemessen, um Ihr Leben zu bestimmen...« Nun
hatte sie ihre mittlere Gestalt angenommen. »Und als Atropos kann ich ihn abschneiden.« Sie
verwandelte sich in eine alte Vettel mit einer riesigen Schere.
»Genug!« rief Zane. »Ich erkenne Ihre Identität an!«
»Das ist nett«, sagte sie und wurde wieder zur Lachesis.
»Dieses Geschäft, welches der Teuflische Ihnen vorschlägt, ist legitim, zumindest was Ihr eigenes
Überleben betrifft. Ihr Schicksalsfaden reicht über diese Episode hinaus. Danach wird er
verworren; ich kann für das Gewebe danach nicht garantieren, wenn Satan daran zupfen
sollte.«
»Über das Jenseits werde ich mir schon im Jenseits genug Gedanken machen können«, meinte
Zane.
»Wie Sie wünschen, Tod«, sagte sie pikiert, und er begriff, daß sie befürchtete, sein Überleben
würde bedeuten, daß er zum Satan überlaufen würde. Mehr als alles andere überzeugte ihn dies von
ihrer Echtheit. »Aber passen Sie in der Hölle auf sich auf.«
»Das werde ich. Was ist mit Lunas Schicksalsfaden?«
Die Norne zog einen weiteren Faden aus der Luft und inspizierte ihn. »Auch der ist
verworren.«
»Satan hat versprochen, sie freizugeben, wenn mich diese Besichtigung nicht überzeugen
sollte.«
Mit verengten Augen musterte die Schicksalsgöttin wieder den Faden. »Nein, da bin ich mir nicht
sicher, da sind zu viele Einflüsse im Spiel. Sie müssen Ausschau nach den Haken halten, die die
Sache möglicherweise hat. Hat er auch gesagt, wann?«
»Wann?«
»Wann er sie freigibt. Sofort, oder in hundert Jahren?«
Zanes Hoffnung sank. »Nein.«
»Wann immer Sie möchten«, sagte Satan liebenswürdig.
»Dem traue ich nicht«, meinte die Schicksalsgöttin. »Der ist doch so glatt wie ein geölter Aal.
Aber ich schätze, Sie sollten sich besser einmal die Hölle ansehen und schauen, was Sie dort
feststellen.«
»Vielleicht sollte ich einen Führer anheuern«, riß Zane einen schwachen Witz.
»Tun Sie das«, stimmte sie ihm ernst zu.
Plötzlich war es gar kein Witz mehr. »Wer könnte schon eine solche Besichtigung führen? Kein
lebender Mensch, und so viele Tote kenne ich nicht...« Er hielt inne, als ihm jemand einfiel.
»Molly Malone! Die gespenstische Fischverkäuferin! Ob die...?«
Ganz leise zuckten die Lippen der Schicksalsgöttin anerkennend.
»Dieses kleine Luder kenne ich. Das ist eine raffinierte Gossengöre.«
»Ich verstehe wirklich nicht, weshalb Sie aus so einer kleinen Privatreise gleich einen solchen
Staatsakt machen müssen«, warf Satan ein.
»Welchen Status hält Molly innerhalb der Ewigkeit eigentlich inne?« wollte Zane wissen.
»Offensichtlich gehört sie weder zum Himmel noch zur Hölle.«
»Sie ist ungebunden«, erklärte die Norne. »Aber ihre meisten Freunde befinden sich in der Hölle.
Molly wollte sie nicht im Stich lassen, als sie starb, aber sie war ein zu gutes Mädchen, um in
die Tiefe zu kommen, deshalb leistet sie ihre Zeit auf der Straße ab. Irgendwann wird sie dessen
müde werden und es
Weitere Kostenlose Bücher