Inkarnationen 01 - Reiter auf dem schwarzen Pferd - V3
EINE?
KORREKT.
Das schien gar nicht so schlimm zu sein, wenn auch nicht gerade gut. Schreibtischarbeit konnte im
Laufe der Jahrhunderte zwar unerträglich langweilig werden. Aber das hier war ja schließlich auch
eigentlich eine Übergangsstation.
Ewige Neutralisierung war sicherlich besser als die Hölle.
Zane schaltete den Computer ab, schritt zu dem zweiten Gerät und holte die Seele des Magiers
hervor. Das Gerät glich einem versiegelten Roboter, der einen Papierstapel auf einem Schreibtisch
musterte. Die Seele wurde in einen Schlitz am Rücken des Roboters eingespeist. Sofort erwachte
die Maschine zum Leben, und ihre Augenlinsen leuchteten auf, während ihre metallenen Gliedmaßen
sich zu bewegen begannen.
Der Roboter sah Zane an.
»Bin ich schon tot?« fragte die Stimme des Magiers.
»Ja«, erwiderte Zane verblüfft. Bisher war er noch nie von einer Seele angesprochen worden.
»Wo bin ich denn dann?«
»Im Fegefeuer. Deine Seele ist derart ausgewogen, daß ich sie weder für den Himmel noch für die
Hölle bestimmen konnte, also habe ich sie hierher gebracht.«
»Ausgezeichnet«, meinte der Magier.
»Soll das heißen, daß du hier feststecken willst? «
»Das muß ich sogar, und zwar so lange wie möglich. Meine Berechnungen waren zwar äußerst
präzise, aber es gibt immer einen gewissen Unsicherheitsfaktor. Es hängt eine Menge davon
ab.«
»Was hängt davon ab?« fragte Zane, der schon wieder verwirrt war.
»Hat meine Tochter dich für deine Aufmerksamkeit belohnt?«
»Weichst du da nicht gerade meiner Frage aus?«
»Tust du nicht gerade das gleiche?«
Zane lächelte. »Deine Tochter hat es zwar erneut angeboten, aber ich habe es meinerseits erneut
abgelehnt.«
»Aber du darfst es nicht ablehnen!« protestierte der Magier-Roboter. »Luna gehört dir. Ich habe
dir den Liebesstein zurückgelassen.«
»Wenn du gewollt hättest, daß ich ihr begegne, hätte es sicherlich bessere Wege gegeben, als mich
zu deinem eigenen Tod herbeizuholen.«
»Nein«, widersprach der Roboter. »Es gab keinen besseren Weg. Beachte Ihre Weigerungen nicht. Sie
wird schon tun, was ich von ihr will.«
»Aber sie hat sich doch gar nicht geweigert! Ich habe mich geweigert! Es ist einfach
nicht...«
»Hol sie dir, Tod. Es lohnt sich.«
»Sie ist nicht an mir interessiert!« versetzte Zane.
»Warum sollte ich ihr meine Aufmerksamkeit aufzwingen, sei es nun durch magische oder durch
nichtmagische Mittel, wenn ich persönlich doch eine derartige Null bin? Sie hat gewiß Besseres
verdient und kann es auch bekommen.«
Zane erkannte nun, daß dies einen Teil seines Widerstands ausmachte. Er konnte es sich nicht
leisten, sich emotional an eine Frau zu binden, die ihn mit Sicherheit schon bald wegen eines
besseren Mannes verlassen würde.
»Du mußt aber«, beharrte der Magier. »Es ist von entscheidender Wichtigkeit.«
»Warum?« Zane war inzwischen sehr neugierig geworden.
»Das kann ich dir nicht verraten.«
»Das hast du schon mal gesagt! Und die Norne drückt sich auch gerne in Rätseln aus. Das ärgert
mich.«
»Der Rest spielt keine Rolle. Luna ist ein gutes Mädchen«, erwiderte der Magier etwas lahm.
»Ein guter Grund dafür, sie nicht vom Tod vereinnahmen zu lassen.«
»Ich muß mich an meine Arbeit machen«, sagte der Magier, und sein metallischer Blick ruhte dabei
auf dem Schreibtisch.
»Was ist denn deine Arbeit?«
»Offensichtlich muß ich die Bilanz von Gut und Böse in meiner Seele selbst ausrechnen. Das hier
sind die Berechnungsformulare.« Die Metallhand berührte den Papierstapel.
»Eines für jeden Tag meines Lebens.«
Zane betrachtete eines der Formulare. »Tragen Sie 16% der Zwischensumme aus Formular 1040-Z in
Position 32-Q ein«, las er. »Ist Ergebnis größer als in Position 29-P der Tabelle TT, so ziehen
Sie 3,2% von Position 69-F ab. Falls Ergebnis kleiner als Zeilensumme, ziehen Sie Quadratwurzel
aus Position 15 in Tabelle und fahren Sie mit Formular 7734, Rückseite, fort.« Er blickte auf,
sein Verstand wirbelte. »Das ist ja fast so schlimm wie eine Einkommenssteuererklärung!«
»Fast«, stimmte der Magier ihm matt zu. »Was glaubst du wohl, wo das Finanzamt sich seine
Anregungen holt? Es wird eine Ewigkeit dauern, bis ich diesen Papierkram erledigt habe.«
»Was meinst du, wie wird das Endergebnis aussehen? Kommst du in den Himmel?«
»Wenn ich mit dem letzten Formular durch bin, geht die Suche nach den Fehlern los«, erwiderte der
Roboter. »Das wird noch ein paar Jahrhunderte
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