Inkarnationen 01 - Reiter auf dem schwarzen Pferd - V3
dauern.«
»Vielleicht machst du ja keine Fehler«, warf Zane ein.
»Solche Formulare sind so entworfen, daß man sie unmöglich beim ersten Mal korrekt ausfüllen
kann«, widersprach der Magier. »Was würde es denn auch für einen Sinn ergeben, wenn sie klar
verständlich wären?« Er nahm einen Federkiel auf, tauchte ihn in ein Faß mit roter Tinte und
machte sich ans Werk. Schon bald erschienen ölige Schweißperlen auf seiner metallenen
Stirn.
Zane überließ den Roboter seiner endlosen Arbeit. Eine derartige Aufgabe würde jeden normalen
Menschen in den Wahnsinn treiben, aber vielleicht besaß der Magier ja so seine eigenen
Widerstandsreserven.
Er hinterlegte die Säuglingsseele beim Hinausgehen am Empfang. »Oh, gut«, sagte die Empfangsdame
und zeigte zum ersten Mal menschliche Gefühle. »Wir brauchen neues Personal!«
Zane fragte sich, inwieweit ein winziges Baby wohl dazu beitragen konnte, dem Personalmangel
abzuhelfen, zog es aber vor, nicht nachzufragen. Das Fegefeuer verfügte bestimmt über Mittel und
Wege, derlei Dinge zu vereinfachen, und außerdem hatte es natürlich auch eine ganze Ewigkeit
dafür Zeit.
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5. Kapitel
Luna
Draußen äste noch immer sein Pferd.
»He, Mortis!« rief Zane, und der edle Todeshengst trabte auf ihn zu. Welch ein schönes
Tier!
Er saß auf.
»Bring mich nach Hause, wo immer das sein mag.«
Das Pferd trabte am Rand der grünen Weidefläche entlang und blieb vor einem prunkvollen
Beerdigungsinstitut stehen, dessen geräumige Vorderveranda von weißen Säulen geziert wurde. Der
Name auf dem Briefkasten lautete: TOD.
Das paßte. Wo sollte der Tod denn auch sonst wohnen, wenn nicht in einem
Beerdigungsinstitut?
Zane sah das Pferd an. »Ist das in Ordnung, wenn ich eine Weile hier bleibe? Wenigstens so lange,
bis ich mich mit dem Gelände und den Räumlichkeiten vertraut gemacht habe?«
Mortis stellte bejahend ein Ohr nach vorn.
»Hast du hier einen Stall oder so etwas? Muß ich dir irgendwelches Futter geben oder Benzin oder
so?«
Das Pferd verneinte wiehernd und wanderte davon, um noch etwas zu grasen. Die Weide sah
außerordentlich üppig aus.
Mehr brauchte Mortis wahrscheinlich gar nicht. In der Nähe war ein kleiner See zu erkennen, so
daß auch Wasser vorhanden war. Es war eine hübsche Gegend.
Der Tod besaß also einen Briefkasten! Wer wohl an dieses Büro schrieb? Zane schritt darauf zu und
öffnete den Briefkasten. Darin lagen vier Briefe. Er holte sie hervor und stellte fest, daß die
Absender irdische Adressen hatten.
Interessant.
Er wandte sich dem Vordereingang des Todeshauses zu. Ob er klingeln sollte? Nicht, wenn dieses
schaurige Haus nun sein Heim war. Andererseits war er noch neu hier. Er klingelte.
Im Inneren des Hauses ertönte ein Glockenläuten, das nach Verdammnis klang. Einen Augenblick
später ging die Tür auf.
Ein schwarz gekleideter Butler stand in der Türöffnung.
»Schön, Sie wiederzusehen, Sir. Lassen Sie mich Ihren Mantel nehmen.« Er schritt um Zane herum,
um ihm das Kleidungsstück abzunehmen.
»Ich... ich bin jemand anders«, sagte Zane unbeholfen. »Ich bin nicht mehr derselbe
Mensch.«
»Natürlich nicht, Sir. Wir dienen dem Amt, nicht seinem Inhaber.« Der Butler hängte den Umhang in
der Empfangshalle in einen Schrank und beugte sich vor, um Zanes Füße zu berühren. Zane begriff,
daß der Mann vorhatte, ihm sein schützendes Schuhwerk abzunehmen. Na ja, wenn er hier nicht
sicher sein sollte, wo denn dann wohl sonst? Er ließ es zu, und schon bald befanden sich
Schuhwerk und Handschuhe im Schrank, während Zane in einem bequemen Hausmantel und Pantoffeln
dastand.
Er nahm einen merkwürdigen Geruch wahr. »Was ist das für ein Duft?«
»Das ist Myrrhe, Sir«, erwiderte der Butler. »Dieses Haus wird traditionellerweise damit
parfümiert.«
»Das Haus des Todes muß parfümiert werden?«
»Myrrhe wird für gewöhnlich mit diesem Amt verbunden, Sir.«
»Na ja, ersetzen Sie es durch etwas Angenehmeres«, befahl Zane. »Und ändern Sie auch dieses
Totengeläute der Türglocke. Wenn ich wirklich etwas zu sagen haben sollte, dann wird der Tod ein
neues Image bekommen.«
Der Butler führte ihn in ein schönes Wohnzimmer tief im Inneren des Gebäudes.
»Machen Sie es sich gemütlich, Sir. Wünschen Sie einen Aperitif? Fernsehen? Einen
Wiederherstellungszauber?«
Zane ließ sich schwer in den Polstersessel sinken. Er fühlte sich überhaupt nicht gemütlich.
»Alles drei«, sagte er.
»Sofort«, meinte der
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