Inkarnationen 01 - Reiter auf dem schwarzen Pferd - V3
du es nur getan hast, um deinem Vater zu
helfen... und du hast ihm ja geholfen, denn ohne deine Hilfe wäre er direkt in die Hölle
gekommen, ohne den Umweg durchs Fegefeuer... Also war das viel mehr eine Art von Opfer.«
»Ein Jungfrauenopfer«, stimmte sie Zane zu und musterte ihn mit einem neuen Ausdruck. »Das ist
die einzige Art von Opfer, die sie annehmen. Es war gräßlich.«
»Danach wird wohl kein gewöhnlicher Mann mehr eine Bedrohung für dich darstellen können. Ich jedenfalls bestimmt nicht. Aber eine Frau, die zu so etwas fähig ist, um ihren Vater
zu beschützen... ich möchte dich einfach besser kennenlernen, das ist alles.«
»Und doch hast du deine Mutter getötet«, warf sie ein. »Was scheren dich da die Eltern
anderer?«
»Ich habe sie geliebt«, erwiderte er etwas steif. »Aber sie lag ohnehin im Sterben, unter
Schmerzen, und sie wußte, daß es keine Hoffnung mehr gab. Als sie mich darum bat... ich mußte es
einfach tun, das ist alles, obwohl ich wußte, daß es ein Verbrechen war und eine Sünde, die mir
die Verdammnis eintragen würde. Es wäre nicht recht gewesen, sie noch länger leiden zu
lassen.«
Lunas Augen verengten sich. »Was ist genau passiert?«
»Ach, das willst du doch sowieso nicht hören...«
»Doch, das will ich.«
Zane schloß die Augen, die Erinnerung erschuf neues Leiden.
»Sie war im Krankenhaus, und das Haar fiel ihr aus, und ihre Haut wurde so rauh wie die einer
Echse, und es führten Röhren und Drähte und solche Sachen in sie hinein und aus ihr heraus, eine
ständige Vergewaltigung ihres Körpers, und verschiedene Flüssigkeiten blubberten vor sich hin,
und Ventile, die mit jedem Atemzug, den sie tat, pulsierten, und mit jedem Herzschlag, so daß
jeder Fremde, der vorbeikam, mit einem Blick ihre intimsten Körperfunktionen wahrnehmen konnte.
Normalerweise wäre sie schon lange vorher gestorben, ebensosehr aus Demütigung wie aus
körperlichem Versagen, aber das künstliche Herz und die Kunstniere ließen sie einfach nicht. In
periodischen Abständen verlor sie völlig die Orientierung, und diese Phasen wurden mit der Zeit
immer länger. Ich glaube, manchmal hatte sie Halluzinationen. Doch gelegentlich war sie bei
völlig klarem Verstand, und dann wurde die Entsetzlichkeit des Ganzen offenbar. Einmal, als ich
sie besuchte und sie bemerkte, daß die Krankenschwester gerade fort war, flüsterte sie mir die
Wahrheit zu. Sie litt unter körperlichen und geistigen und seelischen Schmerzen, sie fühlte sich
von den Geräten und künstlichen Hilfsmitteln degradiert und wollte einfach nur sterben, bevor die
Krankenpflegekosten ihr ganzes Vermögen auffraßen und nichts mehr für mich als Erbschaft übrig
geblieben wäre. Ich verschwieg ihr, daß das Geld schon weg war und daß sich die Schulden
astronomisch zu türmen begannen; nicht einmal ihre Lebensversicherung hätte alles abdecken
können. Sie flehte mich an, die Ärzte dazu zu bringen, sie sterben zu lassen, damit sie endlich
in Frieden ruhen könnte. Sie hatte begonnen, das Leben zu hassen. Sie war in einem solch
elendigen Zustand und drängte mich so sehr, daß ich es ihr versprach. Dann glitt sie wieder in
Halluzinationen ab... ich glaube, sie durchlebte noch einmal etwas, was vor langer Zeit, in ihrer
Kindheit, stattgefunden hatte. Sie sprach vom Blumenpflücken und von einem Bienenstich, und ich
mußte gehen. Ich wußte, daß die Ärzte sie niemals in Frieden sterben lassen würden. Es gehörte zu
ihrem Kodex, einen Patienten so lange leiden zu lassen, wie es nur menschenmöglich war. Also
kaufte ich einen Pennyfluch mehr konnte ich mir nicht leisten -, stellte ihn an einer Stelle auf
der Herzmaschine ab, wo man ihn nicht entdecken würde, und ging fort. Zwei Stunden später rief
man mich an: Sie war gestorben, weil die Maschine versagt hatte. Das Krankenhaus glaubte, es sei
seine Schuld und bot mir einen außergerichtlichen Vergleich an. Ich ließ die Leute in diesem
Glauben, weil es die Rechnung erheblich minderte. Aber ich wußte, daß ich meine Mutter umgebracht
hatte und daß meine Seele nun verdammt war. Ich versuchte das Geld für den Restbetrag der
Rechnung durch Glücksspiel aufzubringen, in der Hoffnung, das Geld zu vermehren, mit dem ich die
Schulden eigentlich hätte begleichen sollen, aber ich verlor alles. Da bestahl ich meinen
Arbeitgeber, um mit dem Glücksspiel wieder alles ausgleichen zu können, doch ich wurde ertappt,
verlor meine Stellung und hatte nun
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