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Inkarnationen 01 - Reiter auf dem schwarzen Pferd - V3

Titel: Inkarnationen 01 - Reiter auf dem schwarzen Pferd - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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Sekunde früher
freilassen, bevor die Maschinen endlich aufgaben. Dies war ein sehr effizientes Krankenhaus,
Pannen kamen nicht vor.
»Ich kann dich sehen, Tod«, murmelte jemand ganz in der Nähe. Zane blickte in die Richtung der
Stimme und sah einen Patienten in der Nebenkabine. Anders als die meisten anderen war dieser voll
bei Bewußtsein.
»Ich kann Ihre Seele nicht holen, solange diese Geräte noch funktionieren«, erklärte Zane und
fragte sich gleichzeitig, warum er sich die Mühe machte, sich einem Nichtklienten gegenüber zu
erklären.
Der alte Mann schüttelte den Kopf, was wiederum seine eigene Maschinerie zu Protesten veranlaßte.
»Hätte nie gedacht, daß ich einmal erleben würde, daß man dem Tod etwas abschlagen kann. Jetzt
kann man sich wirklich nur noch auf die Steuern verlassen.« Er versuchte ein schwächliches
Lächeln, was die Zeiger seiner Meßgeräte zum Vibrieren brachte und die diensthabende
Krankenschwester alarmierte, die nun glaubte, er litte unter einem Anfall. Sie schien Zane nicht
zu bemerken.
Einen Augenblick später sprach der Mann weiter: »Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, Tod, wüßten Sie,
was ich da täte?«
»Diese alte Frau dort, meine Klientin«, sagte Zane. »Sie erinnert mich an meine Mutter.«
»Sie ist auch Mutter«, stimmte der Mann ihm zu. »Ihr Sohn bezahlt für diesen ganzen Blödsinn. Er
glaubt, er täte ihr einen Gefallen, indem er sie über ihre Zeit hinaus und gegen ihren Willen zum
Leben zwingt. Wenn er sie wirklich liebte, würde er sie freilassen.«
»Liebt er sie denn nicht?«
Zane hatte seine eigene Mutter getötet, weil er sie geliebt hatte, doch danach hatten ihn die
Zweifel gepackt.
»Vielleicht glaubt er das. Aber in Wirklichkeit zahlt er es ihr nur heim. Er ist ein gemeiner
Mensch, und sie hat ihn in diese Welt gebracht, und ich schätze, daß er ihr das einfach nur nie
verziehen hat. Deshalb läßt er sie jetzt nicht mehr gehen.«
Da riß eine Saite in Zanes Innerem. »Dem Tod soll niemand widerstehen!« rief er. Er marschierte
zurück zu seiner Klientin.
Dort suchte er die Geräte nach Schaltern ab und stellte sie aus.
»Hoppla!« Sofort war die Krankenschwester da, als die Maschinen Alarm schlugen. Sie stellte die
Schalter wieder ein.
Zane riß Kabel und Röhren heraus. Flüssigkeiten spritzten umher.
Nun bemerkte die Krankenschwester ihn endlich. » Sie haben das getan!« rief sie entsetzt.
»Sie müssen sofort damit aufhören!«
Zane nahm sie in die Arme und küßte sie auf den Mund. Sie spürte die Umarmung des Skeletts und
fiel in Ohnmacht.
Behutsam ließ er sie auf den Boden gleiten. Er bemerkte, daß das automatische Sicherungssystem
den angerichteten Schaden wieder zu reparieren begann. Das Piepen der Alarmanlage wurde immer
drängender; schon bald würden weitere Krankenschwestern es hören und herbeieilen. Er konnte nicht
sicher sein, daß die Sache bereits erledigt war.
Zane hob einen Stuhl auf und ließ ihn in den Ständer krachen, an dem die Flaschen mit
lebenserhaltenden Flüssigkeiten hingen. Glas splitterte, und farbige Säfte tropften auf den
Boden. Dann stieß er mit einem heftigen Tritt eine Konsole um und genoß diese Zerstörungsorgie,
mit der er seine lang unterdrückten Gefühle endlich austoben konnte.
Endlich stand er neben der alten Frau, den Stuhl hocherhoben, um ihr notfalls auch den Schädel
einzuschlagen - doch er stellte fest, daß der Job erledigt war.
Zane setzte den Stuhl ab und holte sanft die Seele aus dem Körper.
Als er die Seele verstaute, applaudierten die anderen Patienten ihm donnernd. Alle diese Menschen
wurden nur noch künstlich am Leben erhalten, so daß sie ihn als das erkennen konnten, was er
war.
»Aber ich bin doch ein Mörder - schon wieder!« protestierte Zane matt, nun, da ihm klar wurde,
was er eigentlich angerichtet hatte. Noch nie zuvor hatte er im Verlauf seiner Amtsausübung
tatsächlich getötet. Die Tat hatte ihm zwar eine grimmige Befriedigung beschert, doch mit
Sicherheit hatte er dadurch sein seelisches Sündenkonto erheblich belastet.
»Ich wünschte, Sie wären meinetwegen gekommen«, murmelte einer der anderen Patienten.
»Uns kann niemand ermorden«, sagte der alte Mann.
»Genausowenig wie man ein williges Mädchen vergewaltigen kann.«
Zane hielt inne. »Wie viele von Ihnen sehen das genauso?« fragte er. »Wie viele von Ihnen wollen
wirklich jetzt sofort sterben?«
Ein Murmeln durchzog die Intensivstation wie eine Wasserwelle. »Wir alle«, erwiderte

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