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Inkarnationen 01 - Reiter auf dem schwarzen Pferd - V3

Titel: Inkarnationen 01 - Reiter auf dem schwarzen Pferd - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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Darstellungen erwiesen sich nicht als ein Produkt der Unachtsamkeit,
sondern zeigten vielmehr die Dimension der Zeit an. Dieser Hirsch würde schon bald diesem Pferd
dort weichen: Das zeigte das Doppelbild deutlich genug. Dies war die große Stierhalle; Zane
konnte sich nun von früheren Studien her daran erinnern.
Die Darstellung des Einhorns war nicht sehr geschickt. Es besaß einen enormen, herabhängenden
Bauch, der fast den Boden streifte, einen stark verstümmelten Schwanz, mehrere riesige, hohle
Flecken, sowie zwei lange gerade Hörner. »Das ist aber doch kein Einhorn«, protestierte er. »Das
ist ein Zweihorn.«
»Wir vermuten, daß sich die beiden Hörner erst später zu einem einzigen Horn weiterentwickelt
haben«, erklärte Molly.
»Das Einhorn hatte wahrscheinlich Pferde und gehörnte Tiere als Vorfahren, und es ist wohl klar,
daß die ersten Kreuzungen nach unseren heutigen Maßstäben nur sehr grob sein konnten. Schließlich
sind die menschlichen Gestalten, die in diesen Höhlen abgebildet sind, weitaus primitiver als die
der Tiere: Unsere Art hat sich in den letzten zirka fünfzehntausend Jahren weit schneller
entwickelt.«
»Na schön, das leuchtet mir ein«, pflichtete Zane ihr bei, von dem Wissen des Gespenstes
überrascht. Aber natürlich hatte Molly diese Rundfahrt wahrscheinlich schon viele Male mitgemacht
und dabei alles erfahren, was sie wissen wollte.
Langsam begann er zu begreifen, was Gespenster in ihrer Freizeit taten.
»Primitive Kunst fasziniert mich«, bemerkte Luna, und ihre grauen Augen flackerten orangefarben
im Licht der Lampe.
Hier wirkte sie ganz besonders hübsch, irgendwie von der primitiven Umgebung verzaubert. »Alle
wahre Kunst entspringt den Tiefen des menschlichen Unbewußten. Die Menschen dieser Höhlen standen
der Natur noch sehr nahe, und sie wußten, vielleicht besser als wir es tun, wie sie in Beziehung
zu ihrer Magie treten konnten. Wir können kein Beutetier mehr herbeirufen, indem wir sein Abbild
auf eine Höhlenwand malen; dazu müssen wir technische Waffen oder hochraffinierte Zauber
verwenden. Für den primitiven Menschen waren Wissenschaft und Magie eins, und er ließ sie auch
als eins funktionieren. Erst vor kurzem haben wir das Prinzip der Aura wiederentdeckt, das unsere
Vorfahren bereits intuitiv erkannten. Diese ganze Höhle ist von diesem Wissen
durchdrungen.«
»Ja«, stimmte Zane ihr zu, als auch er es erkannte. »Ich benutze eine Kamera, du benutzt Farbe.
Die haben damals ganze Höhlen verwendet. Die Geister dieser Tiere sind noch immer
gegenwärtig.«
»Nein, wir sind hier«, erinnerte ihn Molly. »Die heutigen Höhlen von Lascoux, Altamira,
Persch-Merle und all die anderen sind nichts als Touristenfallen, ohne jede Seele. Wir Gespenster
versuchen, ihren wahren Geist zu pflegen und zu erhalten, aber das ist nicht einfach.«
»Natürlich ist das nicht einfach«, meinte Luna, »aber ihr müßt diese vorzügliche Arbeit unbedingt
weiterführen.«
Der Wagen fuhr durch eine Mauer aus der Höhle hinaus, und sie gelangten in ein von Menschenhand
erschaffenes Labyrinth.
»Das Labyrinth des Minotaurus im alten Kreta«, erklärte Molly. »Dies ist unser frühester
historischer Hinweis auf den Stiermenschen.«
»Ich dachte immer, du wärst ein ganz einfaches Bauernmädchen, das nicht mal lesen und schreiben
kann«, warf Zane ein. »Jetzt hörst du dich aber gar nicht danach an.«
»Oh, ich kann wirklich nicht lesen oder so was«, erwiderte Molly. »Es ist äußerst schwierig,
derart schlichte Fähigkeiten noch nach dem Tod zu lernen. Ich verkaufe einfach Muscheln, das ist
das einzige, was ich wirklich gut kann. Aber ich bin ja schon viel länger tot, als ich gelebt
habe, und hatte die Möglichkeit, mich weiterzubilden, was mir im Leben verwehrt war. Als ich noch
lebte, war ich keineswegs dumm, lediglich unwissend. Man kann sehr viel lernen, indem man einfach
die Narreteien der Lebenden beobachtet. Seht mal, da ist der Minotaurus.«
Tatsächlich - der Stiermensch stampfte in seinem Mittelsaal umher, hob die Hörner und schnüffelte
mißtrauisch in der Gegend, als habe er die Eindringlinge bemerkt. »Ich nehme nicht an, daß ihr
auch den ganzen Klatsch darüber hören wollt, wie er gezeugt wurde«, sagte Molly.
»Wie die Königin Pasiphae von Kreta in leidenschaftlicher Liebe zu dem Meeresstier entbrannte,
der in Wirklichkeit eine Art männlicher Dämon war, wie dieser Stier sich aber nicht für sie
interessierte, und sie

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