Inkarnationen 01 - Reiter auf dem schwarzen Pferd - V3
Gesicht zu sich herunter. »Versuch es doch lieber erst
einmal hiermit«, sagte sie.
Der Kuß war elektrisierend. Sie hatte ihm seine Anfangsreaktion verziehen, und nun schenkte sie
ihm ihr Gefühl. Das war ein wunderbares Geschenk.
»Und das hier ist Tours«, sagte Molly und zeigte auf eine neue Szene. Zane hatte keine Ahnung,
wie viele historische Sehenswürdigkeiten er bereits verpaßt hatte.
»Wo die Franzosen den Vorstoß der Mohren gebremst haben und Europa für die Europäer gerettet
wurde.«
»Gut für die Europäer«, kommentierte Luna und lehnte ihren Kopf gegen Zanes Hals. Ihre
Freuden-Topase berührten seine Haut und durchfluteten ihn mit einer einmaligen Glückseligkeit.
Vielleicht lag das aber auch nur an Lunas Berührung.
Dennoch fluchte er insgeheim. Durch seine Torheit hatte er eine ideale Liebschaft eingebüßt, und
nun entwickelte sich eine andere an ihrer Stelle - doch die würde noch binnen eines Monats enden.
Das war vielleicht auch der Grund, warum ihn der erste Liebesstein nicht an Luna verwiesen hatte,
die in mancherlei Hinsicht eine weitaus bessere Frau als Angelica war. Er hatte Angelica nie
wirklich kennengelernt, sondern beurteilte sie auf der Grundlage seiner Erwartungen. Luna war
eine schlechtere Partie, weil sie nicht sehr lange leben würde.
Der Liebesstein scherte sich nicht sonderlich um Einzelheiten, und doch verfügte dieses Unglück
über einen perversen Eigenzauber. Bisher war er die Sache etwas zögerlich angegangen, weil er
sich nicht sicher war, ob der Tod tatsächlich eine Sterbliche umwerben durfte oder ob eine
Magiertochter wie Luna überhaupt etwas mit ihm zu tun haben wollte, wenn sie nicht durch Magie
dazu gezwungen wurde; auch hatte er nicht gewußt, wie er eigentlich zu einem Menschen Stehen
sollte, der von einem Höllendiener mißbraucht worden war. Nun jedoch, da er um ihre Sterblichkeit
wußte, wußte er zugleich, daß er sich ein solches Zögern nicht mehr erlauben konnte.
Was immer Luna für ihn sein konnte, mußte sie jetzt sein, denn es würde kein Morgen mehr
geben.
»Aber du könntest dich doch sofort von mir lösen, um dir dadurch das Leiden zu ersparen«,
bemerkte sie.
»Nein, da wäre ich wie eine Ratte, die das sinkende Schiff verläßt.« Dann schrak er geistig
zusammen. »Woher hast du gewußt, was ich denke?«
»Weißt du, ich habe mehr als nur Wahrheits-, Liebes- und Todessteine geerbt«, sagte sie neckend.
»Mit dem richtigen Zauberstein kann ein Mensch praktisch alles tun, sogar Gedankenlesen.«
»Aber du benutzt doch gar keine schwarze Magie im Augenblick, weil die...«
»Weil die mich den Dämonen näherbringen würde«, beendete sie für ihn den Satz. »Du hast recht -
ich benutze keine Magie. Ich kann mir nur ziemlich gut denken, was so in dir vorgeht.«
»Aber wieso? So gut kennst du mich ja noch gar nicht.«
»Hast du deine Mutter im Stich gelassen, als sie Hilfe brauchte?«
»Das war etwas anderes...« Er hielt inne und überlegte noch einmal. »Nein, ich glaube, das war es
wohl doch nicht. Auf meiner Seele lastet zwar viel Böses, aber sinkende Schiffe verlasse ich
nicht.«
»Also bist du eine gemischte Person, die sowohl Gutes als auch Böses in sich vereinigt, genau wie
ich. Es ist selbstsüchtig von mir, auf diese Weise zu dir zu kommen, während ich es vorher doch
nicht getan habe.«
»Doch, das hast du wohl getan. Du hast mir angeboten...«
»Ja, meinen Körper habe ich dir angeboten. Das ist der Teil von mir, der am wenigsten wert ist.
Jetzt dagegen biete ich dir mehr an.«
»Ich nehme es.«
»Diese Selbstbedienungsmentalität, mit der ich mich nun dir annähere, wird meine Seele noch
weiter belasten. Aber seit mein Vater dahingeschieden ist, herrscht in meinem Leben eine Leere,
die ich nicht einmal mit der allerstärksten Gleichgewichtsmagie völlig ausgleichen kann. Ich
hatte geglaubt, daß ich vorbereitet sei, denn ich wußte ja, daß er zum Sterben verurteilt war,
doch der Schock des tatsächlichen Geschehens war schlimmer, als ich erwartet hatte.« Sie hielt
inne und überprüfte ihre Gefühle. »Da gab es eine Gegenwart, die ich vielleicht ein wenig
leichtfertig für selbstverständlich genommen habe. Nun gibt es die nicht mehr. Ich fühle mich
unausgeglichen, als würde ich nun in die Kluft hineinstürzen, die durch das Dahinscheiden meines
Vaters und seiner Hilfe entstanden ist. Wie soll man einer solchen Leere anders begegnen?«
»Vielleicht kann eine andere Hilfe...«
»Und du bist der
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