Inkarnationen 02 - Der Sand der Zeit - V3
Figur
hätten.«
»Hoppla, das war's wohl«, meinte Gawain bedauernd.
»Sie hat sich blitzschnell wieder bedeckt. Mann, ich wünschte, ich würde in Ihren Schuhen
stecken!«
»Er sagt...«
»Ich kann es mir schon denken!« fauchte Orlene.
»Na ja, immerhin ist er schließlich Ihr Ehemann«, meinte Norton.
Sie lenkte ab. »Was ist in dieser Truhe neben dem Flügel?«
Norton senkte die Hände; er hatte sie unbewußt gehoben, um seine ohnehin schon geschlossenen
Augen zu bedecken. »Gawain, würden Sie uns bitte sagen...«
Das Gespenst zuckte die Schultern. »Es ist tatsächlich so, daß ich mich nicht daran erinnere. Ich
war ja meistens woanders, beim Drachentöten. Um das Apartment hat sich eine Haushälterin
gekümmert.«
»Er sagt, daß er sich nicht erinnern kann«, berichtete Norton.
»Das habe ich mir schon gedacht!«
»Aber ich könnte nachsehen«, meinte Gawain. »Sie soll dieses Zimmer da verlassen, dann kümmere
ich mich sofort darum.«
»Er sagt, daß er jetzt nachsehen will«, meinte Norton, »wenn Sie bitte kurz in das andere Zimmer
treten würden.«
Orlene kam an ihm vorbei und betrat den anderen Raum. Als sie dies tat, verschwand das Gespenst -
und erschien aufs neue in dem Zimmer, welches sie gerade verlassen hatte. Gawain schritt zu der
Truhe und schob seine Hand durch das polierte Holz. »Wer hätte das gedacht«, bemerkte er
fröhlich. »Meine alten Trophäen! Die beste Drachenausbeute des Jahres... solche Sachen eben. Die
müßten eigentlich über dem Kamin hängen, damit sie jeder sehen kann!«
Norton gab es weiter. »Ach ja?« fragte Orlene. »Dann will ich mal nachsehen.« Sie ging zurück in
das Zimmer, mit dem Gespenst den Platz tauschend, und versuchte den Deckel zu heben. Der bewegte
sich nicht.
»Sie ist verschlossen.«
»Der Schlüssel ist in meinem Schlafzimmer«, meinte Gawain. »In der linken Kommodenschublade,
sofern das dämliche Hausmädchen ihn nicht verlegt hat.«
Norton berichtete es Orlene, die daraufhin fortging und den Schlüssel holte, um schließlich die
Truhe zu öffnen.
Darin befanden sich Trophäen, genau wie beschrieben.
»Es stimmt also!« sagte sie. »Das hätten Sie unmöglich wissen können, Norton! Das wußte ich ja
nicht einmal selber!«
»Fragen Sie mich ruhig noch etwas anderes«, schlug Norton vor. »Ich bin sicher, daß wir Sie
endlich zufriedenstellen können.«
»Eine Sache werde ich noch versuchen«, beschloß sie.
»Wie lautet der Mädchenname seiner Mutter?«
»Thrimbly.«
»Thrimbly«, sagte Norton.
»Wann hat sie geheiratet?«
»Am vierzehnten Juno«, sagte Gawain. »Um halb vier, am Nachmittag, es war eine Privatzeremonie.
Der Priester war Q. Lombard. Auf der Hochzeitstorte befand sich ein umherirrender Drache, der
eine Säule aus Feuerwasser spie. Alle Gäste haben sich mit diesem Wasser vollaufen lassen, mein
Vater eingeschlossen. Er verlor das Bewußtsein, und meine Mutter hat mit ihm während der
Flitterwochen sieben Tage lang kein Wort gewechselt. Ich hatte Glück, überhaupt gezeugt zu
werden!«
Norton wiederholte die Einzelheiten. Orlene gab schließlich auf. »Sie können das Gespenst
tatsächlich sehen, das muß ich zugeben! Jetzt bin ich an der Reihe, das Leuchten zu
beweisen.«
»Was ist das für eine Art von Leuchten?« fragte Norton. »Lasse ich die Schatten heller
werden?«
»Nein, so ist es nicht. Es ist... na ja, haben Sie schon einmal von den Tierzauberleuten gehört?
Die mit einem Händeschütteln, wobei die Hand des anderen sich für sie wie das Körperteil jenes
Tieres anfühlt, dem er am meisten gleicht? Wolfstatze, Haifischflosse oder Schlangenschuppen?
Natürlich ist das eher bildlich gemeint; Tiere sind gar nicht so, nicht was die schlimmen
Eigenschaften angeht. Aber mit dieser Magie kann jemand feststellen, ob ein anderer heimtückisch,
habgierig, hinterlistig oder was auch immer ist. Nun, bei mir ist es eben die Sehfähigkeit. Ich
kann feststellen, wer der ideale Gefährte ist, für mich oder für andere. Ich sehe, wie die Aura
sich erhellt. Ich muß mich auf eine Person einschwingen, dann sehe ich ihn im Rahmen seiner
eigenen Situation, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Norton schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, nein. Ich weiß, daß ich nichts Besonderes bin; es muß
zahllose weitaus bessere Heiratskandidaten geben als mich.«
»Aber Sie sind doch gar kein Heiratskandidat. Sie sind ein...«
»Ist ja egal, was ich bin! Ich beginne zu begreifen. Sie brauchen tatsächlich einen Burschen, der
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