Inkarnationen 02 - Der Sand der Zeit - V3
könnten, ich Sie aber nicht heiraten kann. Sie sind zu gut für diesen Job... überqualifiziert.
Deshalb leiden Sie.«
»Überqualifiziert!« rief Norton ungläubig.
»Ich weiß nicht«, sagte sie schnell. »Das ist nur eine Vermutung. Ich verstehe auch nicht alle
Einzelheiten und Aspekte des Leuchtens. Ich sehe nur seine Helligkeit.«
»Nun, dann hören Sie mal auf, mich als... als das Unmögliche zu sehen. Es ist Zeit, daß wir vor
die Tür gehen.«
»Natürlich.« Sie nahm ihn am Arm, und gemeinsam gingen sie hinaus.
Bald darauf befanden sie sich in einem jener Einkaufszentren, wie sie schon seit Jahrtausenden
üblich waren. Dieses hier hätte ebensogut ein Markt im alten Babylon oder in einer Stadt des
Mittelalters sein können. Allerdings hatten sich die Waren inzwischen ein wenig verändert.
Heutzutage gab es holographische Bilder, die Waren wurden mit lebensechtem Realismus und mit
Preisschildern versehen zur Schau gestellt. Der Käufer brauchte lediglich das Abbild des
Gegenstands zu berühren, den er haben wollte, damit dieser direkt vom Warenhaus in sein Heim
befördert und an Hand seiner Fingerabdrücke sein Konto ermittelt und entsprechend belastet wurde.
Natürlich ging es dabei hauptsächlich um Standardgüter, deren Einzelheiten jeder im allgemeinen
kannte; die individuelleren Waren waren einer völlig anderen Form des Einkäufern vorbehalten. So
gab es beispielsweise Kabinen für die Anzugprobe mit Holo-Bildern, doch mußte man sich dafür
immer noch ausziehen.
Sie blieben an einem Eiscremestand stehen, wo die Holographie eines Küchenchefs neben einer Liste
mit tausend verschiedenen Geschmacksrichtungen und Arten stand. Orlene berührte die Abschnitte
ihrer gemeinsamen Wahl und die Waffelhörnchen glitten schnappend in die daneben befindlichen
Halterungen.
Man würde dies von Gawains Konto abbuchen.
Orlene entdeckte ein beliebtes Buch, das interessant zu sein schien, also berührte sie sein Holo
und einen Augenblick später wurde es für sie auf dem Papiervorrat der Maschine gedruckt. Es war
ein Geschichtsroman, der in jener faszinierenden Zeit spielte, als die Menschen weder an Magie
noch an Wissenschaft glaubten und folglich ein äußerst armseliges Leben führten. Sie steckte das
Buch in ihre Handtasche.
Dann saßen sie auf einer Bank, scheinbar konzentriert an ihren Eiscremewaffeln schleckend, und
sahen den vorbeikommenden Leuten zu. Orlene beschrieb bei jedem, wie hell sein Leuchten war. Das
Problem, so erklärte sie, bestand darin, daß die Eignung eines Menschen als Partner sehr relativ
war, je nachdem, wer wiederum sein Partner sein sollte.
Norton war fasziniert, war aber immer noch unsicher, ob das Leuchten wirkliche Magie oder
lediglich Einbildung war. Nur zu gerne hätte er einige Fälle nachgeprüft.
Dann kam plötzlich der Beweis. Orlene machte ihn auf ein älteres Paar aufmerksam, das Hand in
Hand daherging. Beide waren gut gekleidet und für ihr Alter recht attraktiv. Und doch bemerkte
Orlene einen deutlichen Unterschied in ihrem Leuchten. Das Leuchten der Frau war kräftig, sie war
beinahe perfekt für den Mann. Doch sein Leuchten fehlte. Es war sogar negativ, ein dunkler
Schatten. »Er ist für sie völlig der Falsche!« flüsterte Orlene.
»Das kann ich nicht glauben«, protestierte Norton. »Schauen Sie doch mal, wie gut die beiden
miteinander auskommen! Selbst wenn er nebenbei noch eine Geliebte haben sollte, er muß einfach
gut für seine Frau sein. Für sie ist gut gesorgt, Und sie ist zufrieden.«
»Das Leuchten fehlt«, beharrte Orlene. »Er ist wirklich schlecht für sie.«
»Genau das leuchtet mir nicht ein!«
Dann mußten sie schweigen, denn das Paar kam näher und setzte sich sogar neben sie auf die
Bank.
»Bin nur ein bißchen müde«, sagte der Mann.
»Ja, natürlich«, stimmte die Frau zu.
Plötzlich fiel der Mann von der Bank.
Norton sprang auf, um ihm zu helfen, doch als er das Gesicht sah, wußte er sofort, daß der Mann
tot war.
»Rettungseinheit!« bellte er, und sofort brach eine Maschine aus der nächstgelegenen Mauer hervor
und rollte zu dem Mann hinüber.
Die Maschine benötigte nur einen Augenblick, um Nortons Diagnose zu bestätigen. »Zusammenbruch
der Einheit... Reparatur unmöglich«, klickte sie.
Dann kam die Ambulanzeinheit, lud den Leichnam auf und nahm auch die völlig benommene Witwe mit.
Alles ging so schnell und sauber, daß viele der Einkäufer überhaupt nicht bemerkten, was
geschehen war - und so war es
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