Inkarnationen 02 - Der Sand der Zeit - V3
die Frau liebt und dann verläßt.«
»Einen Mann ohne Heiratsabsichten. Und die meisten von denen sind als Person nicht besonders viel
wert. Sie schon. Natürlich wäre es etwas anderes, wenn ich nicht verheiratet wäre und einen
Ehemann haben wollte. Dann würde ich nicht nur einen guten Liebhaber haben wollen, sondern auch
einen, der gut für die Familie sorgt. Dann würden Sie vielleicht nicht so stark leuchten.«
»Mit Sicherheit nicht! Ich bin nämlich pleite!«
»Es bedarf also einiger Einschwingung. Als ich Sie das erste Mal sah, haben Sie so hell
geleuchtet, daß ich sofort wußte, daß Sie derjenige sind - und da war ich nicht bereit. Ich
glaubte, daß ich mich vielleicht ungenau eingestimmt hätte. Es war ja alles so plötzlich. Nun
habe ich mich langsam daran gewöhnt. Ich glaube, daß diese Stunden mit dem Puzzlespiel geholfen
haben, und schon bald...«
»Warum machen wir nicht draußen einen kleinen Spaziergang, dann können Sie mir zeigen, wie Ihr
Leuchten bei anderen funktioniert«, schlug Norton vor.
»Na schön. Ich werde mich umziehen.« Sie eilte in ihr Schlafzimmer.
Gawain erschien wieder. »Jetzt machen Sie wirklich Fortschritte!« sagte er befriedigt. »Diesmal
konnte ich alles durch die Wand mithören; das kann ich nicht immer.«
»Verdammt, müssen Sie denn immer nur an das Eine denken?«
»Aber gewiß doch. Dafür seid Ihr beide doch schließlich hier, nicht wahr? Um meinen Erben zu
zeugen!«
»Ich weiß nicht. Ich fürchte, wenn ich in dieser Sache weitermache, lasse ich noch mehr zurück
als nur meinen Samen.«
»Ach, nun werden Sie bloß nicht trübsinnig«, meinte Gawain. »Wahrscheinlich haben Sie schon fast
so viele Frauen gehabt wie ich! Denken Sie einfach daran, als wäre es ein weiterer Drache, den es
zu erlegen gilt.«
»Sie ist kein Drache!«
»Och, das weiß ich nicht. Frauen und Drachen... ich würde sagen, das ist wie Jacke und
Hose.«
»Sie lieben sie nicht?«
»Natürlich nicht! Ich bin schließlich tot!«
»Ich könnte sie lieben. Ich will ihr nicht wehtun.«
»Dann tun Sie ihr doch einfach nicht weh! Geben Sie ihr, was sie braucht - einen
Sohn.«
»Ich habe geträumt, daß ich sie vernichtete. Das macht mir Sorgen.«
»Sie können ihr nicht wehtun, wenn Sie sie hinterher verlassen.«
»Sie ist ein junges, pulsierendes Mädchen. Ich glaube kaum, daß sie sich einem Mann hingeben
kann, ohne ihm zugleich alles zu schenken. Sie...«
Er hielt inne, denn Gawain war verschwunden. Orlene stand in der Tür. Sie trug einen bescheidenen
grünen Straßenrock mit passender Jacke und Hut und Schuhen, im Augenblick wirkte sie sehr
nüchtern. Ihr helles Haar hatte sie mit grünen Klammern zurückgesteckt. »Wieder das Gespenst?«
fragte sie.
Verlegen nickte Norton. »Der denkt immer nur an das Eine.«
Orlene legte wieder den Kopf schräg, als sie ihn ansah.
»Und Sie vielleicht nicht?«
»Ich mache mir Sorgen wegen des Schadens, den ich bei anderen anrichten könnte.«
»Ich glaube, deshalb leuchten Sie auch so hell.«
Er zuckte die Achseln. »Vielleicht will ich auch mehr haben, als mir zusteht.«
Sie berührte seine Hand. »Ich habe es Ihnen schon mal gesagt, Norton. Sie brauchen hinterher
nicht zu gehen.«
»Aber Sie sind eine verheiratete Frau.«
Sie blickte ihn so intensiv an, daß er nervös wurde.
»Was machen Sie da?« fragte er.
»Ich stelle mir Sie gerade als möglichen Ehemann vor, um das Leuchten zu vergleichen.«
»Tun Sie das nicht! Ich bin nicht Ihr... kann niemals Ihr...«
»Das ist seltsam«, sagte sie. »Das ist noch nie passiert.«
»Was ist noch nie passiert?«
»Das Leuchten scheint sich aufgeteilt zu haben. Ein Teil von ihm ist äußerst intensiv, aber ein
Teil ist auch matt. Als wenn Sie wohl ein sehr guter als auch ein sehr schlechter Ehemann
wären.«
»Wie sollte das möglich sein?«
»Da bin ich mir auch nicht sicher. Sie müssen verstehen, daß das Leuchten nicht den Charakter an
sich darstellt. Es beinhaltet die gesamte Person, die gesamte Situation. Wie gut eine Person ist,
wie loyal, wie erfolgreich als Fürsorger, wieviel Glück oder wieviel Unglück sie hat... da könnte
der allerbeste Mann schlecht abschneiden, weil ihn irgendein unglückseliger Unfall binnen fünf
Jahren zum Krüppel macht, so daß er ohne eigene Schuld schlechter dasteht.«
Norton spürte, wie eine eisige Kälte in ihm aufstieg.
»Ob ich einen Unfall haben könnte?«
»Nein, ich glaube nicht. Vielleicht liegt es daran, daß Sie zwar der vollkommene Ehemann sein
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