Inkarnationen 03 - Des Schicksals duenner Faden - V3
neben der Feuerstelle.
Am nächsten Morgen hob Cedric, von einem grimmigen Kater geplagt, die Flasche auf und starrte den
verbliebenen Wein an.
»Sieht ganz genauso aus wie Urin!« sagte er heftig und schritt zur Tür, um ihn
hinauszuschleudern.
An diesem Abend versuchte Niobe es erneut. Sie ließ ihn sich auf ihr Bett setzen, nahm seine Hand
und bat ihn, wieder zu singen. Dabei begleitete sie ihn, und die Magie umhüllte sie beide. Es war
so etwas Ähnliches wie Liebe. Doch als die Zeit gekommen war, den Liebesakt zu vollziehen, konnte
Cedric es nicht. Die gewaltige Anforderung dieser Aufgabe hatte ihn impotent gemacht. Er war zwar
äußerst bekümmert, Niobe fühlte sich insgeheim jedoch erleichtert; sie hatte ihr Bestes versucht
und war gescheitert. Es schien einfach nicht an der Zeit zu sein.
»Aber Cedric«, sagte sie. »Von nun an mußt du ohne Kleider in diesem Bett schlafen, und ich werde
es auch tun.«
Er starrte sie entsetzt an. »Aber...«
»Damit wir ohne zu lügen sagen können, daß wir zusammen geschlafen haben«, erklärte sie. »Meinst
du etwa, daß irgend jemand glauben würde, daß nicht mehr dahintersteckt?«
Langsam begann er zu lächeln, er war ebenso erleichtert wie sie. Nackt gesellte er sich im Bett
zu ihr. Es war zwar nur ein billiger Kompromiß, doch er mußte eben genügen.
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2. College
Im Herbst ging Cedric auf das örtliche College. Es war zwar nicht sehr weit, zu Fuß wäre der
Weg jedoch zu anstrengend gewesen, und ein Pferd zu beschaffen, war recht schwierig. Ein
fliegender Teppich wäre zwar ideal gewesen, doch die zuverlässigen Modelle waren immer noch so
teuer, daß es hierfür nicht das Richtige war. Alles in allem war es besser für Cedric als
Internatsschüler aufs College zu gehen.
Irgendwelche romantischen Unvereinbarkeiten spielten ja ohnehin keine Rolle.
Niobe verabschiedete ihn mit einem Kuß und einer Träne und blickte ihm nach, wie er mit seinem
Rucksack voller Kleider davonmarschierte. Er würde am Ort seine Bücher kaufen und für
Schulgebühren, Unterkunft und Verpflegung bezahlen; sie hatten ihre Haushaltskasse entsprechend
eingerichtet und besaßen noch einen ausreichenden Spielraum an Geldreserven.
Als er ging, war sie deprimiert. Es tat ihr leid, daß sie es nicht geschafft hatten, ihre Ehe ins
reine zu bringen. Gewiß war Cedric ein prächtiger Junge mit wundervoller Magie und inzwischen
hatte sie ihn recht gern. Natürlich wußte niemand etwas vom Scheitern der Ehe oder die Verwandten
waren zumindest zu diskret, um einen etwaigen Verdacht zu äußern. Mit etwas Glück würde alles
besser werden, wenn Cedric im College erst einmal ein bis zwei Jahre älter und reifer geworden
war, und danach würde niemand davon erfahren.
Sollten alle Stricke reißen, konnte sie noch immer einen Liebestrank kaufen und ihn selbst zu
sich nehmen; wenn Cedric dies jedoch merkte, würde er wohl ablehnend reagieren, und Niobe selbst
wollte ihn ohnehin lieber nicht täuschen. Die Liebe war nicht das eigentliche Problem.
In der Zwischenzeit fühlte sie sich einsam. Sie hätte zwar während des Semesters nach Hause zu
ihren Eltern gehen können, doch sie wußte, daß ihre Mutter ihr dann die Wahrheit schon aus der
Nase ziehen würde, und diese Blamage hätte sie nicht ertragen.
Also arrangierte sie sich allein. Die Anforderungen des Haushalts waren einfach genug. Am Tag las
und wob sie viel und freundete sich mit der Dryade der Wassereiche im Sumpf an. Für eine Zeit war
es ein durchaus akzeptables Leben.
Sie richtete das Häuschen so ein, daß es auf ihre ureigenen Bedürfnisse abgestimmt war. Sie
arbeitete im Hof, und auch das war angenehm. Als sie sich gründlich um den nähergelegenen Teil
des Sumpfs bekümmert hatte, fand sie, daß es nun an der Zeit sei, Cedric zu besuchen.
Zu diesem Zweck mietete sie eine Droschke. Die war zwar erheblich billiger als ein fliegender
Teppich, dafür aber auch langsamer, und die Räder holperten über den steinigen, unebenen Weg, was
sie höchst ungemütlich durchschüttelte. Dennoch kam sie nach einem Reisetag in halbwegs
erträglichem Zustand am College an, wenngleich ihr Reisekleid ziemlich verschmutzt war.
Sie entdeckte Cedric auf einem Weg zwischen der Unterkunft und einem Unterrichtsgebäude. Zwei
Monate waren erst verstrichen, dennoch schien er gewachsen zu sein. Obwohl er noch ein Neuling
war, war er schon der größte Junge hier, und zwei Collegemädchen flirteten gerade auf empörende
Weise mit ihm,
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