Inkarnationen 03 - Des Schicksals duenner Faden - V3
Gatte ohne sie ebensogut gedieh, wie sie ohne ihn. Doch dann suchte sie den
Professor auf, der sie bereits erwartete.
Der Professor war ein typischer Vertreter seines Menschentyps: gealtert, gebeugt, mit einem
Schock weißen Haars und einem tiefgefurchten Gesicht, aus dem die Augen, von Intelligenz
leuchtend, hervorfunkelten.
»Ah, Mrs. Kaftan!« rief er. »Ich erkenne Sie sofort an Ihrer außerordentlichen Schönheit!«
»Ach, was sagen Sie denn da!« widersprach sie und fühlte sich geradezu töricht
geschmeichelt.
»Nein, wirklich!« beharrte er lauthals. Alle Lehrer besaßen Stimmen, die ihre Botschaft bis in
die hintersten Winkel des Geistes trugen. »Ich habe Cedric nämlich gefragt, wie ich Sie erkennen
würde, und er sagte, daß die wunderschönste Sterbliche auf dieser Welt, die ich erblicken würde,
Niobe sei. Und so ist es tatsächlich! Er verehrt Sie zutiefst, und es fällt auch nicht schwer,
den Grund dafür zu erkennen. Sie sind wirklich eine alles überragende Frau!«
»Genug, Professor! Ich bin eine alte, verheiratete Frau! Warum wollten Sie mich sprechen? Stimmt
etwas nicht mit Cedrics Studium?«
»Aber nein, das genaue Gegenteil, meine Liebe!« widersprach er begeistert. »Cedric ist der
brillanteste und gewissenhafteste Student, der mir seit zehn Jahren untergekommen ist. Für einen
Studenten ist seine Leistung ganz außerordentlich! Ich wollte Ihnen mein Kompliment dafür
aussprechen, daß Sie unserer Disziplin einen solchen guten Dienst erwiesen haben, indem Sie ihn
dazu motivierten, sich ihr zu widmen. Ich weiß, daß er später, wenn er älter geworden ist, unsere
Forschung zu neuen Höhen führen wird.«
Niobe war verblüfft. Der Professor war offensichtlich ein Wesen, das die Superlative
liebte!
»Ich habe ihm doch lediglich die örtlichen... ich interessiere mich tatsächlich ein wenig
für...«
»Das tun Sie in der Tat, Mrs. Kaftan!« stimmte er ihr zu. »Er hat mir gesagt, daß er all dies nur
Ihnen verdankt. Er sagte, daß Sie einen unwissenden Bauerntölpel bei der Hand genommen und ihm
die Feuchtgebiete auf eine Weise gezeigt haben, wie er sie noch nie gesehen hatte, und das hat
sein Leben verändert. Mrs. Kaftan, Sie sind eine wunderbare Frau, und ich verneige mich vor
Ihnen!«
Sie fühlte sich von der Begeisterung des Professors schon beinahe überwältigt.
»Dann kommt Cedric... gut voran?«
»Lauter Einser«, bestätigte er.
»Und die verteilen wir bestimmt nicht leichtfertig! Aber damit ist seine Leistungsfähigkeit ja
noch nicht einmal angedeutet. Wissen Sie, Mrs. Kaftan, wenn ich einmal offen mit Ihnen reden
darf, ich habe mich nämlich zu Anfang gefragt, warum eine solch wunderschöne Frau, wie Sie es ja
nun nachgewiesenermaßen sind, einen solchen Jüngling heiratete, da es doch ganz offensichtlich
war, daß Sie unter den Allerbesten auswählen konnten, die der Krieg uns gelassen hat. Doch als
ich ihn näher kennenlernte, wurde mir klar, daß Sie tatsächlich den Allerbesten ausgesucht
hatten. Einen wie ihn gibt es in jeder Generation höchstens einmal. Diesen Entschluß werden Sie
niemals bereuen, da bin ich mir ganz sicher!«
»Äh, ja«, pflichtete Niobe ihm matt bei.
»Cedric betet den Boden an, auf dem Sie schreiten, und ich bin mir gar nicht sicher, ob ich das
nur bildlich meine. Wenn Sie ihn auf die Handelsschule geschickt hätten, wäre er mit der Zeit
sicherlich ein Großindustrieller geworden. Welch ein Verlust das für die Wissenschaft und die
Magie gewesen wäre! Doch statt dessen haben Sie sein Interesse auf die Feuchtgebiete
gelenkt.«
Er nahm ihre Hand, hob sie an die Lippen und küßte sie.
»Meine immerwährende Dankbarkeit, Mrs. Kaftan. Wenn ich Ihnen jemals irgendeinen Gefallen tun
kann, so zögern Sie nicht, mich darum zu bitten.«
Völlig benommen fand sie sich wieder draußen in der Sonne wieder. Kein Wunder, daß Cedric gut
vorankam, der Professor war ein erstaunlicher Lehrer und Förderer. Wahrscheinlich behandelte er
alle so, wodurch er jeden Studenten anspornte. Und doch hätte er keinen Grund gehabt, Cedric als
brillant zu bezeichnen, wenn es nicht der Wahrheit entsprochen hätte. Sie hatte gewußt, daß
Cedric intelligent war, doch anscheinend hatte sie ihn unterschätzt. Die Collegeumgebung hatte
offensichtlich das Beste aus ihm hervorgeholt.
Cedric beendete seine Veranstaltung und gesellte sich wieder zu ihr. Doch allein mit ihr wurde er
wieder schüchtern und verlegen. »Ich... es ist schön, dich
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