Inkarnationen 03 - Des Schicksals duenner Faden - V3
doch gar keinen Sinn!« protestierte Niobe. »Einer dieser Männer ist jetzt schon
sechsundsiebzig Jahre alt und von schwächlicher Gesundheit; der lebt doch keine zwanzig Jahre
mehr!«
»Es sei denn, er bekommt ein Jugendelixier«, erwiderte Atropos.
»Ein Jugendelixier!« Plötzlich ergab es sehr wohl Sinn! Ein alter, korrupter Mann würde mit
Freuden seine Seele dafür aufgeben, zudem er ohnehin damit rechnete, in die Hölle zu kommen.
Satan könnte diesen Männern tatsächlich zwanzig weitere Lebensjahre anbieten, im Austausch für
ihre Unterstützung im kritischen Augenblick. Da sie sonst durch jüngere und vielleicht
gottesfürchtigere Männer ausgetauscht werden würden, lag dies durchaus in Satans Interesse.
Luna sollte umgangen werden. Das durfte man nicht zulassen.
Sie überprüfte eine Reihe weiterer Fäden. Die der vier ältesten Senatoren waren geknickt, die des
fünften und sechsten nicht. »Der Dämon hat seine Bestechungsaktion noch nicht beendet!« sagte
sie. »Wir sind noch nicht zu spät dran, um seiner Aktivität ein Ende zu setzen!«
»Vom Umgang mit Dämonen verstehe ich nichts«, erwiderte Clotho. »Samurai bringt mir zwar
Selbstverteidigung bei, aber er meint, daß man gegen Magie nichts ausrichten kann, und ein Dämon
läßt sich nicht mit sterblichen Mitteln töten.«
»Natürlich kann man ihn so töten!« widersprach Atropos. »Du brauchst ihn nur mit etwas Weihwasser
zu besprenkeln.«
Niobe stimmte ihr zu. »Und wir sind als Inkarnationen ohnehin unverwundbar. Weder Sterbliche noch
Dämonen können unser Blut vergießen, es sei denn, wir willigen darin ein.«
Sie besorgten sich ein Fläschchen Weihwasser und glitten dann hinab zur Residenz des Senators.
Ganz den herrschenden Bräuchen entsprechend, lebte der Senator in einem stattlichen Haus. Sein
gesamtes Anwesen bestand aus weiten Grünflächen, kunstvoll gestutzten Büschen und Sträuchern und
einer Reihe Außengebäuden, die sein Wohnhaus umrahmten.
Es gab zwar keinen wirklichen Zaun, sondern man hatte um das Grundstück des Senators eine gelbe
Linie auf den Boden gemalt. Magie, dachte Atropos finster. Niobe schritt die Auffährt
weiter, denn sie wußte, daß Magie keiner Inkarnation etwas anhaben konnte. Dies war einer der
größten Vorteile ihrer vergangenen Erfahrungen. Sie konnte selbstsicher handeln, weil sie um ihre
Kraft und Macht wußte. Wären alle drei Aspekte der Schicksalsgöttin wirklich neu im Amt gewesen,
so hätte Satan sie sicherlich davon überzeugen können, daß sie körperlich und magisch verwundbar
seien, was ihm erhebliche Vorteile eingebracht hätte. Thanatos hatte davon erzählt, wie der Vater
der Lüge ihn hinters Licht geführt hatte, bis er endlich die Wahrheit erkannte. Niobe selbst
erinnerte sich daran, wie Satan damals, bei ihrer ersten Begegnung im Nichts, sie fast davon
überzeugt hatte, ihr Amt aufzugeben. Lügen konnten derartig viele verschiedene Formen annehmen,
und Satan schreckte vor keiner zurück!
Als sie die gelbe Linie überschritt, löste dies einen Alarm aus. Eine ganze Vogelwolke hob vom
Dach des Hauses ab und kam auf sie zugeflogen. Die Vögel schienen sie als Eindringling zu
erkennen, denn sie zögerten keine Sekunde. Schon legten sie die Flügel an und gingen im Stürzflug
wie kleine Jagdfalken nieder.
Oooh! dachte Clotho und duckte sich im Geiste hastig. Niobe jedoch warf lediglich eine
Fadenschlinge aus, dann eine zweite, die die erste im Winkel von neunzig Grad kreuzte, um auf
diese Weise eine Kugel um ihren Leib zu beschreiben. Die Vögel stürzten sich in diese Kugel und
verlangsamten ganz plötzlich ihr Tempo. Die Kräfte wichen von ihnen, denn sie konnten nicht bis
zu ihrem Körper vorstoßen, so sehr sie sich auch anstrengen mochten.
Wie der Tatami, dachte Clotho. Im Laufe ihrer Verbindung mit Samurai hatte sie sich einige
Begriffe aus dem Kampfsport angeeignet. Die Matte ist weich, doch federt sie den Fall ab, ohne
daß es zu Verletzungen kommt.
»Ganz genau«, murmelte Niobe. »Es gibt nichts, das subtiler, aber auch unausweichlicher wäre als
das Netz des Schicksals. Kein sterbliches Wesen kann ihm entgehen oder ihm seine Wirksamkeit
nehmen.« Sie schritt weiter, und nach einer Weile gaben die Vögel auf und kehrten zu ihren
Nestern auf dem Dach zurück.
Ein hübsches Anwesen, dachte Atropos. Hätte nichts dagegen, in einem solchen Haus zu
arbeiten.
Du bist doch keine Dienerin! dachte Clotho zornig. Du bist eine freie Frau!
Natürlich
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