Inkarnationen 03 - Des Schicksals duenner Faden - V3
befanden sich leider gerade
außerhalb ihrer Reichweite.
Es schien keinen anderen Weg zu geben, es sei denn, sie kehrte in das Gebäude zurück, das wie die
Zahl Vier aufgebaut war. Doch das würde sie nur als letzte, als allerletzte Möglichkeit in
Erwägung ziehen. Es mußte einen Weg geben, sie mußte ihn nur finden.
Und sie fand ihn auch. Sie riß eine der dünnen Lianen herab, legte sie zusammen und verschnürte
sie zu einem primitiven Knoten. Dann befestigte sie diesen Knoten an einer weiteren hängenden
Liane. Als nächstes schwang sie den Knoten ein Stück höher auf eine der kräftigeren Lianen zu.
Nach mehreren Versuchen gelang es ihr, diese größere Schlingpflanze zu sich herunterzuziehen. Nun
hatte sie eine der stärkeren Schlingpflanzen griffbereit.
Sie riß immer stärker daran, doch das Gewächs hielt. Es war fest verwachsen und kräftig genug, um
ihr Gewicht auszuhalten.
Niobe packte sie so fest wie möglich, zog sich ein Stück zurück und rannte dann zum Wasserufer
vor. Dann sprang sie los, hielt sich dabei verzweifelt fest und schwang sich auf den Steg. Als
sie über das Wasser schoß, blitzte unten etwas darin auf, wie ein riesiger Hai. Ihre Landung war
zwar etwas schwerfällig, gelang aber; hinter ihr sauste die Liane wieder zurück. Als eine Art
Turnübung mochte es nicht sehr elegant ausgesehen haben, doch wenigstens hatte sie nun die andere
Seite erreicht. Sie war froh, daß sie es nicht mit Schwimmen versucht hatte.
Niobe schritt den schmalen Pfad entlang, wobei sie mit der Rechten über die Mauer streifte. Der
Drache beobachtete sie zwar, konnte sich ihr jedoch nicht mehr gefährlich nähern.
Als der gerade Pfad auf den gewundenen stieß, entdeckte sie auch den Ausgang; er war tatsächlich
von einer Illusion verdeckt. Vorsichtig trat sie hinaus, auf der Hut vor Fallgruben, doch es gab
keine. Sie hatte es geschafft und besaß immer noch fünf Fäden gegen acht Illusionen, sofern sie
dem Schild glauben konnte. Sie lag zwar immer noch zurück, doch ihre Geschicklichkeit hatte es
ihr ermöglicht, erheblich aufzuholen.
Niobe kam in eine große, breite Höhle mit einem weiten Fluß, was sie an die Höhle des Bergkönigs
erinnerte. Vielleicht hatte Satan diese Idee geklaut. Wenn dem so sein sollte, würde sie wissen,
wie sie ans andere Ufer kam.
Doch es war nicht das gleiche. Es gab keinen Maschendrahtzaun in diesem Fluß, und kein Schild
bezeichnete ihn als Lethe. Natürlich konnte es trotzdem der Fluß Lethe sein, da dies einer der
Flüsse der Hölle war. Deshalb würde sie ihm nur mit Vorsicht begegnen. Es waren Fische darin zu
erkennen; als sie den Finger eintauchte, kamen drei schrecklich gezähnte kleine Ungeheuer auf sie
zu. Eines sprang aus dem Wasser, als sie die Hand schnell zurückzog. Die Zähne des Fischs
klappten mitten in der Luft an der Stelle aufeinander, wo ihre Hand sich befunden hatte, bevor er
wieder ins Wasser fiel.
Nein, in diesem Fluß war Schwimmen nicht empfehlenswert.
Entlang des Ufers befand sich ein weiter Pfad, der dort begann, wo sie eingetreten war. Langsam
schritt sie ihn entlang. Offensichtlich bestand die Herausforderung darin, den Fluß zu
überqueren, doch hier gab es keine Lianen, und außerdem war der Fluß ungefähr fünfzig Fuß
breit.
Plötzlich hörte sie ein Geräusch. Sie blieb stehen und lauschte nervös. Die gleichmäßigen
Schritte eines Mannes erklangen. Niobe versteckte sich in einer Felsöffnung, da sie nicht jenen
Männern begegnen wollte, die die Hölle bevölkerten.
Ein Mann erschien, er war hochgewachsen und blond, muskulös und auf jungenhafte Weise
attraktiv.
Niobes Vorsicht schwand. »Cedric!« rief sie.
Cedric wandte sich zu ihr um. »Niobe!« rief er und breitete die Arme aus. Doch dann gingen ihr
verschiedene Fragen durch den Kopf. »Aber du bist doch tot!« sagte sie und blieb stehen, bevor
sie ihn berührte.
»Natürlich bin ich das. Aber meine Liebe für dich bleibt.«
»Was tust du dann in der Hölle? Du warst im Leben ein guter Mann ein wunderbarer Mann!«
Er zuckte die Schultern. »Möglicherweise ein Irrtum im System, aber wenn du hier bist, dann
möchte ich auch hier sein. Bei der schönsten Frau ihrer Generation.«
»Aber ich bin nicht mehr schön! Ich bin ziemlich alt und faltig geworden.«
Wieder zuckte er die Schultern. »Das macht nichts. Meine Liebe währt ewig.«
»Du bist eine Illusion, nicht wahr?« fragte sie empört. »Ein Dämon in Verkleidung! Ich kann einen
Faden gegen dich
Weitere Kostenlose Bücher