Inkarnationen 03 - Des Schicksals duenner Faden - V3
wenig Zeit für Entscheidungen.
Der Lift würde sich nicht zurückbewegen, was wiederum bedeutete, daß sie der Entscheidung, die
sie traf, ausgeliefert war. Sie konnte es sich nicht noch einmal anders überlegen und ihren
Entschluß widerrufen. Möglicherweise hatte sie bereits die falsche Entscheidung getroffen!
Vor sich sah sie einen Roboter. Er besaß einen annähernd menschlich aussehenden Kopfkasten und
ein Paar ausgeprägter Metallarme. Einer davon endete in einer riesigen Kneifzange, der andere in
einem scharfen Messer. Seine Aufgabe bestand darin, das Objekt festzuhalten, es aufzuschneiden
und überschüssiges Material auszusondern. Wenn sie dieses Objekt werden sollte, würde der Roboter
auch an ihr herumschneiden, es sei denn, er stellte sich als Illusion heraus.
Sie schleuderte einen Faden, der den Roboter berührte und verdampfte. Der Roboter jedoch blieb.
Sie hatte vergeblich gehofft, er sei nur eine Täuschung.
Hastig schnallte Niobe sich los und sprang aus dem Sessel. Vor dem Podest des Roboters stürzte
sie zu Boden. Dampf stieg empor: Dieser Sturz hatte sie einen weiteren Faden gekostet. Die
Katastrophe nahm überhaupt kein Ende! Sie war überzeugt, daß sie das Labyrinth nicht würde
durchqueren können, es sei denn, sie benutzte den Sessellift und dies hier war die falsche
Strecke.
Doch wollte sie sich überhaupt nicht mehr auf den Zufall verlassen. Sie mußte das Muster
entdecken, wie es ihr im vorherigen Abschnitt des Labyrinths gelungen war. Dann würde sie mit
geringen Einbußen weiterkommen.
Sie erhob sich und blickte den aufragenden Roboter an. Ob sie dieses Muster durchschauen
konnte? Sie konnte von unten ja nicht einmal das Muster des Labyrinths wahrnehmen und sie sah
keine Möglichkeit, an eine höher gelegene Stelle zu kommen. Nicht als schwache Frau mittleren
Alters.
Also mußte sie ihren Verstand gebrauchen, weil ihr Körper nicht genügte. Sie kauerte sich unter
dem Roboter nieder und überlegte, während über ihr die Sessel des Lifts vorbei trudelten.
Angenommen, daß sie den Lift benutzen müßte, um hindurchzukommen, und daß ihre Möglichkeiten
beschränkt waren, sobald sie erst einmal unterwegs war. Da sie das Gesamtmuster nicht ergründen
konnte, mußte sie raten. Ob sie es schaffte, heil hindurchzukommen? Das bißchen Vertrauen, das
sie überhaupt ins Glück gehabt hatte, hatte sie hier in der Hölle bereits verloren.
Wie war es mit einer List? Satan war ein Meister der List; ob er zum Opfer seiner eigenen Technik
werden konnte? In der Luna-Orb-Affäre war das zwar so gewesen, doch...
Dann hatte sie es. Wenn dieser Plan scheitern sollte nun, sie hätte ja ohnehin wahrscheinlich
verloren. Gelang er aber, so konnte sie vielleicht den Sieg noch erringen.
Sie warf einen Faden auf die Schulter des Roboters, und einen Augenblick später hielt sie sich
auch schon auf ihrem unsicheren Standplatz fest. Sie packte den Kopf des Roboters und riß daran.
Der Deckel löste sich; es war eine tassenförmige Kappe mit Öffnungen für die Augenlinsen.
Darunter befanden sich die Zahnräder, mit denen sich der Kopf auf seinem Hals drehen konnte. Doch
darum kümmerte sie sich nicht. Alles, was sie brauchte, war der Helm und vielleicht ein
Arm.
Sie stülpte die Helm-Kappe über ihren eigenen Kopf. Die stank nach Öl und saß äußerst locker,
doch immerhin konnte sie durch die Linsenöffnungen spähen. Dann griff sie nach einem Arm.
Der Roboter spürte den Kontakt. Die Zahnräder in seinem Kopf begannen sich zu drehen, und die
Linsen fuhren herum, um den Arm zu beobachten.
Dann bog sich das Ellenbogengelenk, und der Arm klappte zusammen. Niobe griff danach und riß
daran. Der Arm erstarrte und bewegte sich um keinen Deut mehr. So sehr sie sich auch anstrengen
mochte, sie konnte ihn nicht von der Stelle bewegen.
Sie würde sich mit dem Helm begnügen müssen. Niobe beobachtete die Sessel, als diese vorbeizogen.
Als sich wieder einer näherte, warf sie ihm einen Faden entgegen und folgte diesem, bis sie den
Sitz erreicht hatte. Schnell gurtete sie sich in dem Sessel fest. Der Roboter griff nach ihr.
»Nicht doch!« rief sie und musterte ihn durch die Augenschlitze. Im Helm hallte ihre Stimme
wider. »Ich bin ein Testroboter. Schepper, schepper!«
Der Roboter zögerte, und seine Kopfzahnräder wirbelten herum, als sein Blick der Bewegung des
Sessels folgte, fast als wären die Zahnräder arbeitende Gehirne. Als die Maschine endlich eine
Entscheidung getroffen
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