Inkarnationen 03 - Des Schicksals duenner Faden - V3
Wassereiche, in der Nähe unserer Hütte«, sagte sie. »Wenn nun... Junior hat sich mit der dortigen
Hamadryade angefreundet, und...«
»Wir werden ihn dort hinführen«, sagte Pacian eifrig, und die anderen nickten.
Dann wandte Niobe sich schnell ab und kehrte zu ihrem Wagen zurück.
Sie fuhr sofort zum Bahnhof, kaufte eine Fahrkarte, wartete auf das Eintreffen des Zugs, stieg
ein und nahm Platz. Nun war sie auf dem Weg. Lautlos weinte sie in ihr Taschentuch.
Schließlich kam sie in der Hafenstadt Dublin an. Sie zeigte die Fahrkarte vor, die man ihr
geschickt hatte und die auf den Namen Daphne Morgan lautete, und man akzeptierte sie ohne weitere
Fragen. Man wies ihr eine Kabine erster Klasse zu, und auch für ihre Mahlzeiten wurde gesorgt.
Als Miß Morgan reiste sie recht stilvoll. Doch was würde geschehen, wenn sie an Miß Morgans Ziel
eintraf?
*
Das Schiff stach in See.
Als es auf offenem Wasser war, aktivierte der Kapitän die richtigen Zauber, so daß sich der Wind
verstärkte und die Segel blähte. Prompt liefen einige der Passagiere grün an und verloren
schlagartig ihren Appetit, doch Niobe war vernünftig genug gewesen, um einen Zauber gegen
Seekrankheit mitzunehmen, so daß sie keine Probleme hatte.
An Bord befanden sich Männer verschiedensten Alters, die offensichtlich meinten, daß man sich ihr
nähern dürfe. Doch sie lehnte höflich alle Einladungen ab.
»Ich bin erst kürzlich Witwe geworden«, erklärte sie und mußte sich wieder in ihre Kabine
zurückziehen, da die Tränen erneut in ihr aufzuwallen drohten.
Ach, Cedric!
So hatte sie im Laufe von fünf Tagen keine echten Bekanntschaften gemacht. Sie verbrachte sehr
viel Zeit allein und las. Ihr Webstuhl und ihr Kind fehlten ihr, und sie versuchte erfolglos,
nicht an Cedric zu denken.
Plötzlich blickte sie von ihrem Buch hoch und entdeckte eine Spinne, sie sich gerade an ihrem
eigenen Faden herabließ. Die Spinne erreichte den Boden, dann begann sie zu leuchten und nahm die
Gestalt einer Frau an.
»Lachesis!« rief Niobe.
»Niobe, begreifst du nun, was wir von dir wollen?« fragte Lachesis.
»Ihr wollt, daß ich... Teil von euch werde«, erwiderte sie. »Ein Aspekt der Schicksalsgöttin. Ich
bin bereit.«
»Ja, aber wir müssen sichergehen, daß du alles genau verstehst, denn das ist keine sehr einfache
Sache. Wir sind zwar zu dritt, haben jedoch nur einen einzigen Körper. Wenn du dich uns
anschließt, wirst du niemals allein sein.«
»Ich habe schon zu lange allein gelebt!« rief Niobe.
»Weil wir drei in eins sind, gibt es auch keine getrennte Identität zwischen uns, kein eigenes
Intimleben«, fuhr Lachesis fort. »Keine individuellen Rechte. Jeder muß tun, was dem Ganzen
gebührt, und zwar ohne Ausnahme.
Wenn es zum Beispiel notwendig sein sollte, mit einem Mann anzubändeln...«
»Oh. Du meinst... mein Körper muß eventuell...«
»... sich mit einem Mann einlassen«, beendete Lachesis für sie den Satz. »Der jüngste unserer
Aspekte trägt meistens die Hauptlast solcher Bemühungen, eben weil die Männer so sind. Auf
ähnliche Weise trägt der mittlere Aspekt die Hauptlast der Haushaltspflichten, der älteste
dagegen erfüllt großmütterliche Funktionen.«
Das wirkte auf Niobe wie ein Schock. Sie hatte sich niemals vorgestellt, körperliche Beziehungen
mit einem anderen Mann als Cedric zu haben, und sie zögerte, eine solche Vorstellung auch nur ins
Auge zu fassen.
»Aber was ist dann mit dem Spinnen der Lebensfäden?«
»Ja, auch das gehört dazu«, erwiderte Lachesis. »Aber in diesem Punkt wirst du keine
Schwierigkeiten haben. Eine Frau ist nicht nur zu einem einzigen Zweck bestimmt, und auf die
meisten anderen Zwecke bist du bereits vorbereitet. Unser Gebrauch des Spinnrockens ist lediglich
etwas weiter entwickelt als das, was du bisher kennengelernt hast.«
Und plötzlich erschien in ihrer Hand ein glühender Rocken, der kurze Stab, auf den man Faden oder
Garn wickelte. »Wir müssen lediglich dafür sorgen, daß die Stränge in Ordnung sind.
Schwierigkeiten macht allenfalls die gesellschaftliche Seite der Sache.«
Schwierigkeiten allerdings!
Die Vorstellung, mit einem anderen Mann zusammenzusein stieß sie ab. Und doch begriff sie auch,
daß es nur die Folge davon sein konnte, sich mit anderen Frauen zusammenzutun, wenn nicht
genügend Körper zur Verfügung standen.
»Angenommen, ich lehne ab?«
»Meine Liebe, wir zwingen niemanden, sich uns anzuschließen! Mag sein, daß es bei den männlichen
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